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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Autoren: John Doyle
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war seine Art, uns »Danke« zu sagen. Dabei hätte er uns gar nicht aufzufordern brauchen: Für jedes Kind ist die eigene Mutter immer die schönste Frau der Welt!

Höflichkeit/Politeness
    Ich komme mir immer unhöflich vor, wenn ich in Amerika bin. Vielleicht liegt es ja an den 18 Jahren, die ich bereits in Deutschland lebe. Oder es liegt einfach nur an mir selbst. Bei meinem letzten USA -Besuch kam ich mir besonders unhöflich vor, weil ich merkte, wie oft meine Landsleute im Gegensatz zu mir »I'm sorry« zueinander sagen.
    Sie gehen aufs Klo und fragen: »I'm sorry, but where is the bathroom?«
    Sie kommen vom Klo zurück und sagen: »I'm sorry if it took so long.«
    Im Supermarkt stoßen sie jemanden leicht mit dem Einkaufswagen an und sofort entschuldigen sie sich: »I'm sorry for bumping into you.« Der Betroffene antwortete sofort schuldbewusst: »Oh, no, it was my fault. I should be sorry.« Und sogar wenn es ein etwas größerer Rempler gewesen ist, dann sagen viele sogar: »I'm sooooooooo sorry for bumping into you.«
    Als ich einmal von einem wildfremden Menschen in einem amerikanischen Cafe angerempelt wurde und deswegen meinen Kaffee verschüttete, sagte der Mann: »Sorry« und ich selbst hatte zuerst überhaupt kein Bedürfnis mehr, wie früher seine Entschuldigung auch mit einem »Sorry« zu erwidern. Ich hatte vielmehr das Bedürfnis, ihn zu fragen: »Haben Sie keine Augen im Kopf?« oder einfach nur »Sind Sie blöd?« In Deutschland wären solche Fragen völlig normal gewesen. Aber ich war nicht in meiner Wahlheimat, sondern in Amerika. Und deswegen verlief
das Gespräch folgendermaßen: »Oh, I'm sorry for bumping into you.«
    »No, I'm sorry for standing in your way.«
    »Can I buy you a new coffee?«
    »That would be nice. But you don't have to.«
    »No problem. And would you also like a donut?«
    »Yes, that would also be very nice.«
     
    Als ich noch nicht lange in Deutschland lebte, merkte ich, dass ich oft
zu
höflich war.
    In Restaurants sagte ich oft statt »Zahlen, bitte!«, »Entschuldigung, aber könnte ich jetzt bitte zahlen?« Als Antwort bekam ich oft zu hören: »Ich weiß nicht, ob Sie zahlen
können.
Aber ich kann Ihnen die Rechnung bringen.«
    Oder in Bäckereien sorgte ich anfangs für totale Unruhe, wenn ich fragte: »Entschuldigung, aber könnte ich bitte zwei normale Brötchen haben?« Die Verkäuferin schaute mich dann immer an, als ob sie gleich sagen wollte: »Wenn Sie bezahlen können, schon.« Mittlerweile glaube ich nicht, dass ich damals zu höflich war oder meine deutschen Mitbürger
zu
unhöflich waren. Die Verkäufer haben so auf mich reagiert, weil sie auf Käufer eingestellt waren, die sagen:
    »Ich bekomme zwei Brötchen« oder »Ich bekomme ein halbes Roggenbrot und zwar geschnitten!«
     
    Ich glaube nicht, dass man Höflichkeit bestimmten Nationalitäten zuordnen kann. Ich glaube viel eher, dass Höflichkeit etwas mit gelernter Rücksichtnahme zu tun hat. Rücksichtnahme gegenüber allen Mitmenschen. Egal, ob beim Sommer-Schluss-Verkauf, in Restaurants oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
    Ich fuhr zum Beispiel einmal mit der Kölner Straßenbahnlinie
1 in Richtung Rudolfplatz, als eine junge Frau Mitte 20 ein sehr lautes und langes Handygespräch mit ihrer Freundin »Stefanie« führte. Und obwohl sie hätte merken müssen, dass ihr Gespräch alle Fahrgäste tierisch nervte, plapperte sie seelenruhig weiter. Zuerst fragte sie ihre Freundin: »Und was ist mit einem Grillfest am Aachener Weiher? Dort ist es ja besonders schön, oder?« Und dann redete sie von Timo, der gerade Geburtstag hatte, und für den anscheinend das Grillfest organisiert wurde.
    »Und was wirst du Timo schenken? Ich möchte ihm ein Buch über Meditation kaufen.«
    Und als ich das hörte, dachte ich:
Ausgerechnet eine Frau, die die ganze Zeit labert, will ein Buch über Meditation kaufen!
    Dann erzählte sie noch davon, dass sie es nicht gut fände, wenn Stefanie Timo auch ein Buch über Meditation schenken würde. Denn dann hätte er ja zwei Bücher zum selben Thema.
Rechnen kann sie also auch noch,
dachte ich völlig genervt. Und während sie weiter belangloses Zeug erzählte, merkte ich, wie die anderen Fahrgäste immer unruhiger wurden. Sie hatten bestimmt alle den gleichen sehnsüchtigen Wunsch. Dass die Frau gleich aussteigen, ihr Handy gleich den Geist aufgeben oder sie gleich ihre Zunge verschlucken würde.
    Aber weil das nicht passierte und sich auch sonst kein Mensch
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