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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn
Autoren: Curd Siodmak
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ins Steuerrad, er riß den Wagen vom Bürgersteig. Der Wagen überschlug sich fast. Er drehte sich auf schwankenden Rädern im Kreise, fing sich und raste auf die Melrose Avenue zu.
    »Anhalten! Anhalten!« ächzte Pulse. Er sah grau aus, unter seinen Augen lagen schwere Ringe.
    Donovan nahm das Gas weg.
    »Sie haben sie beinahe getötet!« sagte Pulse. Sein Schrecken wandelte sich plötzlich in rasende Wut. »Sie haben versucht, sie zu morden! Sie wollten das Mädchen umbringen!« Der Atem ging ihm aus.
    Donovan stieg aus. »Wir müssen uns ihrer entledigen«, sagte er langsam, wie ein Mensch in Trance, und ging fort.
    »Nicht mit meinem Wagen!« schrie ihm Pulse hysterisch nach. »Nicht mit meinem Wagen!«
    Er starrte Donovan nach, und die Tränen liefen ihm über das Gesicht.
    Donovan ging hinkend weiter. Er rief eine Taxe an und sagte: »Zum Roosevelt-Hotel.«
    Schwer atmend sank er auf den Sitz, starrte vor sich hin und hielt seine Seiten über den Nieren mit beiden Händen.
    Plötzlich klopfte er an die Glaswand. Der Fahrer hielt.
    Donovan ging in einen Laden und kaufte sich eine halbe Flasche Gin, die er in seiner Tasche barg.
    Dann ließ er sich zum Hotel fahren.
    Ich sah Janice im Augenblick, als Donovan die Halle betrat. Auch er sah sie, ging aber ohne Erkennungszeichen an ihr vorbei.
    Janice hatte sich scharf umgewandt. Sie machte zwei rasche Schritte in seiner Richtung, zögerte dann und verhielt, von einem unbegreiflichen Zweifel befallen. Sie sah ihm nach, wie er hinkend zum Aufzug ging, vermutlich betroffen, daß er sich so ganz anders bewegte als ich, mit dem Schritt eines alten, kranken Mannes.
    Donovan ging nach oben in sein Zimmer, setzte sich auf sein Bett und wartete, ohne sich zu regen.
    Er wußte, sie würde kommen.
    Ich betete darum, daß sie hereinkäme!
    Die Spannung war fast nicht mehr tragbar für mich. Ich wollte weinen, schreien, rufen. Dann raffte ich in einer letzten Anstrengung meine Kräfte zusammen – ich mußte vernünftig sein, ich mußte mich auf sie konzentrieren, ich mußte mich ihr verständlich machen.
    Janice klopfte.
    »Herein«, schrie Donovan.
    Janice stand in der Tür wie in einem Bilderrahmen. Sie starrte Donovan mit weit offenen blauen Augen an, und als er sie nicht aufforderte, näherzukommen, schloß sie die Tür hinter sich.
    Sie besitzt die unbestimmte Intuition, Dinge zu verstehen, die außerhalb der Ereignisse alltäglicher Wirklichkeit liegen. Bestimmt würde sie bemerken, daß nicht ich, Patrick Cory, auf dem Bett saß, sondern Warren Horace Donovan.
    »Patrick«, sagte sie leise, und ihre Stimme klang mühsam vor Unsicherheit. Ihre Augen wurden so dunkel, daß die Pupillen nicht mehr zu unterscheiden waren.
    Sie stand reglos. Ihre unterbewußte Angst, die sie mit unbeschreiblicher Tapferkeit beherrschte, gab ihr etwas Unberührbares, Fernes. Sie war eigentlich unfähig, sich zu fürchten. Je schrecklicher die Wahrheit, um so tapferer würde sie sein. Sie wurde größer bei wachsender Gefahr. Sie trug ihre Tapferkeit wie eine Rüstung, und etwas Jungfräuliches an ihr machte sie noch uneinnehmbarer.
    Sie blickte Donovan mit erstaunlicher Festigkeit an.
    »Was willst du?« fragte er mürrisch, und zum erstenmal merkte ich, daß das Hirn Angst hatte! Es zitterte, denn es war durch etwas Unangreifbares bedroht, das stärker war als es selbst. Hier war das Böse durchkreuzt!
    Sie konnte die seltsame Verwandlung, die in meinem Körper stattgefunden hatte, nur ahnen, aber sie kannte den Einfluß, den das Hirn auf mich hatte. Keiner, der es nicht erfahren hatte, konnte die Kraft des Hirns ermessen, Janice aber bedurfte keiner Erklärungen. Hellsichtigkeit ist etwas Selbstverständliches für die, die sie besitzen – und sie wußte alles.
    Ich versuchte, sie zu rufen. Ich versuchte, ihr zu sagen, daß dort im Schreibtisch die Geschichte des Falles Donovan lag. Sie war eine Arztfrau, sie mußte daran denken und die Aufzeichnungen finden. Sie mußte sie finden, lesen, und verstehen, daß das Ungeheuer, das ich geschaffen hatte, vernichtet werden mußte.
    Ich schrie in meinem Gefängnis – und als hätte sie mich gehört, überlief sie ein Angstschauer. Doch nur eine Sekunde – und ich war noch nicht sicher, daß sie mich verstanden hatte!
    »Was willst du?« fragte Donovan wieder.
    Sie lächelte entwaffnend. »Bei dir bleiben. Ich dachte, du brauchst mich!«
    »Renne mir nicht nach«, erwiderte Donovan. »Ich wünsche dich nicht um mich zu sehen. Geh nach Hause zu
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