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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn
Autoren: Curd Siodmak
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deiner Mutter. Geh, wohin du willst. Aber laß mich allein!«
    Seine Stimme war ohne Modulation – wie Menschen sprechen, die physisch leiden. Sie erkannte das und trat dichter heran.
    »Du hast Schmerzen«, sagte sie.
    Donovan sprang auf und schritt drohend auf sie zu. »Mach, daß du 'rauskommst!« schrie er. »Hinaus! Kannst du nicht verstehen?«
    Er stand dicht vor ihr, und sie sah ihm forschend in die Augen, als wolle sie in ihnen die Wahrheit lesen.
    Er hielt ihren Blick nur ein paar Sekunden aus, dann wandte er sich ab. »Raus hier!« sagte er heiser. »Geh doch endlich!«
    Die Tür schloß sich hinter ihr.
    Ich wurde plötzlich ruhig. Jetzt war ich sicher, daß sie alles wußte, und ich vertraute ihr blind. All die Jahre, die sie dicht bei mir gelebt hatte, kannte sie mich so gut – sie hatte meine Gedanken gelesen, ehe sie mir selbst bewußt wurden, sie war da, wenn ich sie brauchte, und war fort, wenn ich allein sein wollte. Sie war mein denkender Schatten.
    All diese Jahre waren nur eine Vorbereitung gewesen auf die große Aufgabe, die eines Tages ihre ganze Kraft erfordern würde – das hatte sie gewußt. Nun war der Tag da. Sie konnte nicht versagen!
    Zwischen gewissen Menschen besteht eine Bindung, die den Tod nach sich ziehen kann, wenn sie zerreißt. Zwei Menschen, die durch diese körperlosen Glieder verbunden sind, brauchen sich nicht zu lieben, können sich sogar hassen, bleiben aber zusammen durch eine rätselhafte Identität, die sich nicht in Formeln niederlegen läßt. Eine abstrakte Identität ohne Raum und Zeit.
    Oft sind sich die Menschen dieser Bindung gar nicht bewußt, bis ein großes Unglück oder eine drohende äußerste Gefahr die Schranken ihres Nicht-Wissens niederreißt. In diesen Augenblicken treten wir über die Schwelle der unbekannten Welt und gebrauchen Waffen, von denen wir vorher nichts wußten.
    Donovan setzte sich wieder aufs Bett. Mit einem Seufzer öffnete er die Ginflasche, die er unter dem Kopfkissen versteckt hatte. Er trank den Gin in großen Zügen. Er wünschte sich zu betrinken, um seine eingebildeten Schmerzen nicht mehr zu fühlen.
    Er ging zur Tür, unterwegs immer noch gierig schluckend, und verriegelte sie.
    Wenn er nur betrunken genug war, würde ich frei sein! Dann konnte ich Janice rufen. Dann konnte ich jeden Menschen der Welt zu Hilfe rufen!
    Auf einmal aber merkte ich, daß ich es war, der betrunken wurde, nicht Donovan! Er lebte in meinem Körper, aber meine Magennerven beeinflußten mein Hirn, nicht seins! Das Trinken hatte mich beeinflußt, nicht ihn!
    Ich fühlte mich schwindlig, und das Zimmer begann zu schwimmen.
    Donovan fuhr fort, die Flasche zu leeren.
    Ich trinke nur selten Alkohol, denn ich hasse die Unklarheit des Geistes, den Verlust der körperlichen Beherrschung. Jetzt fühlte ich, daß ich das Bewußtsein verlor, daß mein Geist ausgelöscht wurde. Doch in meiner Betrunkenheit kam die Angst zurück und der Zweifel, ob Janice mich auch richtig verstanden hatte.
    Donovan leerte die Flasche hastig, gierig – er wartete auf die Wirkung des Alkohols. Ich merkte noch unklar, wie überrascht er war, daß er nüchtern blieb.
    Dann verlor ich das Bewußtsein – wie ein Mann, der in einen tiefen Teich fällt.
    Ich weiß nicht, wie lange ich schlief, aber eine plötzliche Vorahnung von entsetzlicher Todesnähe riß mich aus meinem trunkenen Schlaf. Ich setzte mich im Bett auf – und hatte die volle Herrschaft über meinen Körper!
    Zum erstenmal seit Tagen konnte ich meine Glieder nach meinem eigenen Willen bewegen. Wie ein Mann im Totenhaus, der plötzlich findet, daß eine Tür offensteht und die Wächter fort sind, war ich frei.
    Donovan hatte mich verlassen.
    Ich schwang die Füße aus dem Bett, war aber zu betrunken, um aufzustehen. Ich versuchte, zur Tür zu kriechen. Durch diese entsetzliche Vorahnung der Gefahr getrieben, mußte ich Janice rufen, solange Donovan fort war!
    Doch ich war gelähmt, der Alkohol in meinem Blut hemmte die Bewegungen meiner Muskeln. Als ich versuchte, mich zusammenzuraffen, gaben meine Arme nach und ich fiel platt aufs Gesicht und schlug auf den Teppich, der weich war und nach Desinfektionsmitteln roch.
    Als ich so kraftlos dalag, erinnerte ich mich nur daran, daß ich mich bewegen müsse – warum aber, hatte ich vergessen. Das Gefühl tödlicher Gefahr blieb zurück, aber mein Körper war wie auf den Teppich gebannt.
    Ich war wieder gefangen – Donovans Hirn kehrte zurück.
    Als das Telefon viel später
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