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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn
Autoren: Curd Siodmak
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Patrick Cory, durfte nicht unzurechnungsfähig werden, nicht irre vor Furcht! Das würde sie mir niemals vergeben, sie würde mich verachten.
    Ich mußte nur Geduld haben. Mein Augenblick würde kommen. Ich mußte nur warten und immer an Janice denken, die nicht wollte, daß ich den Verstand verlor.
    Am Morgen überraschte mich Donovan durch das Zitieren dieser lächerlichen Zeile: »Auf zwei sich spreizenden Zweigen ...«, als hätten auch ihn in seinem Schlaf diese Worte gequält.
    Donovans Ausdruck war verändert seit Yocums Tod. Sein Gesicht war härter geworden, sein Mund dünner, seine Augen starr und unmenschlich. Ontogenie, seine persönliche Erfahrung, wirkte sich an meinen Gesichtszügen aus.
    Ich beobachtete ihn mit meiner angeborenen Neugierde, in einer plötzlichen Reaktion furchtlosen Interesses, als wäre ich noch in der Lage, die konkreten Fakten meiner wissenschaftlichen Beobachtungen auf dem Papier wiederzugeben.
    Die schrecklichen Augenblicke des Entsetzens und der Verzweiflung waren seltener geworden. Ich trieb durch das Zentrum des geistigen Taifuns – aber der große Sturm stand bevor.
    Wie mancher Mensch in der Stunde, die seinem Tode vorausgeht, keine Ahnung seines nahen Endes hat, sondern im Gegenteil mit neuer Hoffnung auf ein künftiges Leben erfüllt ist, so beobachtete ich dieses neue Bild von mir, das sich selbst im Spiegel ansah – das unbewegliche, bleiche Gesicht, die ergrauenden Haare, die tiefgeschnittenen Linien um die Nasenflügel.
    Das war ich, aber gleichzeitig absolut nicht ich! Das Gesicht dort war in den letzten Tagen gealtert. Es war nicht mehr das Gesicht eines Achtunddreißigjährigen, sondern das eines Mannes, dem das beschwerliche Alter und der nahe Tod im Nacken sitzen!
    Donovan redete mit sich selbst – in einer slawischen Sprache, die ich nicht verstand. Er kleidete sich fertig an, ging hinaus und stieg in seinen Mietwagen, der noch an der Ecke hinter dem Hotel stand, wo er ihn vor ein paar Tagen gelassen hatte.
    Er fuhr nach dem Beverly Boulevard und dann nach Van Ness. Etwa hundert Meter vor dem Weatherby Wohnblock hielt er den Wagen an, kreuzte die Arme und saß und starrte regungslos vor sich hin.
    Er wartete auf das Mädchen. Wieder beabsichtigte er, es zu töten.
    Das hätte Donovan nie getan, während er in seinem eigenen Körper lebte. Aber welche Gefahr lief das Hirn? Wenn es mordete, kam Dr. Cory auf den elektrischen Stuhl! Ich war es, der sterben mußte, nicht das Hirn.
    Es würde sein parasitisches Leben in einem anderen Körper fortsetzen, vielleicht in Schratts oder Sternlis ... Oder in dem einer Frau, oder eines Kindes – oder, wenn es Lust hatte, eines Hundes! Es gab keine Grenzen für seinen Polymorphismus!
    Ich wußte nicht, ob das Hirn jemals in seiner krankhaften Phantasie solche Betrachtungen gepflogen hatte. Es betrug sich, als arbeitete nur sein Thalamus, ohne die hemmenden Einflüsse der Rinde.
    Menschen, deren Thalamus durch eine Operation vom übrigen Hirn getrennt wird, haben keine Herrschaft mehr über sich. Sie werden unberechenbar, gefährlich. Genauso handelte Donovans Hirn.
    Donovan selbst hatte nie einen betonten Sinn für Ethik gehabt, war aber gezwungen, sich den Gesetzen der Gesellschaft zu unterwerfen. Das Hirn hatte jetzt alle Fähigkeit verloren, Recht und Unrecht zu unterscheiden.
    Es hatte nur die eine Idee – die Idee, mit der Donovan gestorben war: Den Tod Roger Hinds' gutzumachen. Es verfolgte hemmungslos diesen Zweck. Mord war nur ein Mittel, um zum Ziel zu gelangen. Das Hirn lief Amok!
    Ein Polizeiwagen kam die Straße herauf, von einer schwarzen Limousine gefolgt. Beide Wagen hielten vor dem Wohnhaus. Zwei Männer gingen hinein, um nach ein paar Minuten mit dem Mädchen und ihrer Mutter zurückzukommen. Durch das seltsame mißlungene Attentat auf ihr Leben erschreckt, hatten die Eltern um Polizeischutz gebeten.
    Während er langsam die Straße hinunterfuhr, entdeckte der Polizeiwagen Donovan. Er hielt längsseits.
    Bedächtig zog Donovan eine Upman aus der Tasche und steckte sie an.
    »Wohnen Sie hier?« fragte der Polizeioffizier argwöhnisch durch das Fenster.
    »Nein!« Donovan schüttelte den Kopf.
    »Was tun Sie hier?« fragte der Polizist.
    »Ich zünde mir eine Zigarre an«, erwiderte Donovan freundlich.
    Ein Polizist stieg aus, während der Fahrer sich bereithielt, im Notfalle zu helfen.
    »Habe ich Sie nicht gestern hier gesehen?« Der Offizier musterte den Wagen.
    »Nein«, sagte Donovan lächelnd.
    »Es
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