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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm
Autoren: Alexander Kent
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Augenblick? Belinda hatte so glücklich ausgesehen. Adam und Allday strahlten wie Schulkinder. Und doch … Er sah eine Gruppe von Gestalten an der Pforte warten, das Blau und Weiß der Offiziere, das Scharlachrot der Seesoldaten. Seine Welt. Man würde genau auf jede seiner Bewegungen achten. Normalerweise wäre Allday zur Hand gewesen, um dafür zu sorgen, daß er nicht das Gleichgewicht verlor oder über seinen Degen stolperte. Nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, war der Gedanke, jemals ohne Allday fahren zu müssen, unvorstellbar. Aber er würde an Bord sein, ehe das Schiff Anker lichtete.
    Abteilung der alten britischen Kriegsmarine, mit roter Nationalflagge Leutnant Valancey trat zur Seite, als Bolitho abwartete, bis die Barkasse an der bauchigen Flanke der
Argonaute
aufwärtsschwang. Dann sprang er hinüber und stieg die Jakobsleiter zur Pforte hoch; Musketen wurden präsentiert, Trommeln ratterten, und die Pfeifen stimmten das »Hearts of Oak« an.
    Da stand der blonde Keen und nahm seinen Hut genau in dem Augenblick ab, als Bolithos Flagge im Vormasttopp gesetzt wurde.
    »Willkommen, Sir Richard.« Keen lächelte und merkte nicht, daß die Begrüßung Bolitho unvorbereitet getroffen hatte. Dem Admiral klang es, als sei jemand anderer angeredet worden.
    Bolitho nickte den versammelten Offizieren und der Wache zu. Wenn er erwartet hatte, noch Spuren des Gefechts zu sehen, wurde er nun enttäuscht: frisch gestrichene Planken, geteerte Takelage, säuberlich aufgetuchte Segel, und die Ketten und Taljen der Achtzehnpfünder des Oberdecks so perfekt ausgerichtet wie zur Parade.
    Er schaute das Deck entlang und durch das Kreuzmuster aus stehendem und laufendem Gut in die Höhe. Er sah die weiße Schulter der Galionsfigur, die einen Knaben aus der Mannschaft von Jasons mythischer
Argo
darstellen sollte. Erst vor knapp drei Jahren war
Argonaute
in Brest von Stapel gelaufen; ein vergleichsweise neues Schiff also, mit einer Sollbesatzung von sechshundertzwanzig Offizieren, Matrosen und Seesoldaten. Bolitho bezweifelte indes, daß es selbst dem einfallsreichen Keen gelungen war, so viele Männer zusammenzubringen.
    Sie gingen unter dem Hüttendeck nach achtern. Die Erbauer hatten es länger als auf vergleichbaren englischen Schiffen gehalten und den Offizieren dadurch geräumigere
    »Herzen aus Eiche«, alte Marineweise Unterkünfte gegeben. Vorm Gefecht jedoch machte man wie auf jedem anderen Kriegsschiff die Decks vom Bug bis zum Heck von Zwischenwänden frei, damit jedes Geschütz, groß oder klein, ungehindert bedient werden konnte.
    Sie bückten sich unter den Decksbalken, und Bolitho sah einen Seesoldaten an der Tür zu seiner Kajüte Wache stehen.
    »Wenn Allday an Bord kommt, Val, möchte ich …« Keen blickte ihn an. »Er ist schon da, Sir Richard.«
    Bolithos Erleichterung war so groß, daß es ihn selbst überraschte.
    Es war recht dunkel unter Deck, und Bolitho ließ seine Füße vom Instinkt leiten. Die Gerüche waren wie alte Freunde: Teer, Werg, Farbe, feuchte Leinwand. Ein großer Eßtisch aus Falmouth, der Weinschrank, den er von Schiff zu Schiff mitnahm, und hinten in der großen Tageskajüte ein wertvoller Teppich auf der schwarz-weiß karierten Leinwand, welche die Planken bedeckte.
    Von nebenan kam der an einen Maulwurf erinnernde Ozzard, der schon seit mehreren Tagen an Bord war, aus dem Schlafraum geeilt und sah zu, wie Bolitho langsam auf seinen Sessel zuging. Er hatte ihn in Falmouth anfertigen lassen. Belinda hatte Widerspruch eingelegt und gemeint, er hätte etwas Eleganteres, seiner Position Angemesseneres wählen sollen. Nun berührte er die hohe Rückenlehne, die wie der Rest des Sessels mit weichem, dunkelgrünem Leder bezogen war.
    Er reichte Ozzard seinen Degen und setzte sich in den Sessel, der so wichtig war, wenn ihn Sorgen und Zweifel beschäftigten, die er mit keinem seiner Untergebenen teilen konnte. Er hatte massive Armstützen und eine hohe Lehne, die, falls erforderlich, den Blick auf Gegenstände oder Menschen versperren konnte.
    Keen grinste. »Der Sessel kam eine Stunde, bevor wir aus dem Plymouth-Sund ausliefen, an Bord.«
    Über ihnen erklangen Schritte. Keen wandte sich zur Tür. Bolitho lächelte. »Gehen Sie nur, Val. Sie haben noch viel zu tun. Wir unterhalten uns später.«
    Die Tür schloß sich, und Bolitho sah seinen Steward mit einem Tablett zum Tisch treten. Verließ Ozzard das sichere Falmouth nur ungern? Wenn ja, ließ er sich das nicht
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