Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
der Heckreling. Die
Argonaute
wird ihm treu dienen, dachte Keen. Das bin ich ihm schuldig.
    Sein Bootsführer stieß einen unterdrückten Fluch aus, als die Gig an
Orontes
' Bordwand entlangschrammte, und streckte den Bootshaken nach einem Rüsteisen aus. Der Kutter, von einer jähen Welle erfaßt, wurde vorbeigetragen. Die Seesoldaten sahen amüsiert zu, wie die Rudergasten sich bemühten, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    Stayt trat zur Seite, um Keen als ersten das Fallreep erklimmen zu lassen. Nach der lebhaften Bewegung und der überkommenden Gischt wirkte das breite Deck der
Orontes
fast träge und windstill.
    Überall lungerten Menschen herum, an Deck und in der Takelage. Einige trugen Waffen, aber der Rest wirkte, als sei ein Gefängnis geleert worden.
    Doch Keen sah nur das Drama, das sich unter der Poop abspielte: die schräg aufgeriggte Gräting und den riesigen, brutalen Bootsmannsgehilfen mit der langen Peitsche, der auf den Delinquenten hinabstarrte.
    Keen haßte dieses grausame Ritual und seine Notwendigkeit noch mehr. Seit er als junger Midshipman seiner ersten Bestrafung beigewohnt hatte, war er wie die meisten Offiziere bemüht gewesen, der Disziplin zuliebe seine Abscheu zu unterdrücken. Doch dieser Fall lag anders. Als er die mit ausgestreckten Armen und Beinen an die Gräting gefesselte Gestalt betrachtete, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Mein Gott, Sir, das ist ja ein Mädchen!« rief ein Matrose hinter ihm.
    Sie war bis fast zu den Hinterbacken entkleidet. Gesicht und Schultern verhüllte ihr Haar, und die Arme hatte sie ausgestreckt wie gekreuzigt.
    Keen trat vor, doch ehe er intervenieren konnte, hob der Bootsmannsgehilfe den Arm und ließ mit einem Knall, der an einen Pistolenschuß erinnerte, die neunschwänzige Katze auf den Rücken des Mädchens niedersausen.
    Keen sah, wie sich ihr Rücken wölbte, wie ihre zerrissene Kleidung noch tiefer rutschte. Sie schrie jedoch nicht, denn die Wucht des Schlages hatte ihr den Atem genommen. Dann trat langsam eine hellrote Linie auf der Haut hervor, die sich von einer nackten Schulter bis zur anderen Hüfte hinzog, und Blut sickerte ihr über den Rücken. Als der Mann wieder den Arm hob, begann sie, sich in ihren Fesseln zu winden.
    »Aufhören!«
rief Keen scharf. Er spürte Stayt neben sich, wandte aber den Blick nicht von der Szene. Um sich herum und über sich hörte er Protest, der wie Gebell klang. Das Publikum war wütend und enttäuscht, es hatte sich auf die Auspeitschung gefreut. , »Mr. Stayt!« sagte Keen in die plötzliche Stille hinein.
    »Wenn dieser Mann die Peitsche auch nur hebt, erschießen Sie ihn!«
    Stayt, der die Pistole bereits gespannt in der Hand hatte, trat vor. Er hob den Arm, aber nicht wie ein Mann, der in die Schlacht geht, sondern wie ein Duellant, der seine Waffe für den einzigen, entscheidenden Schuß ausrichtet.
    Ein korpulenter Mann in blauem Rock drängte sich mit vor Empörung bibbernden Hängebacken zu Keen durch. Keen musterte ihn gelassen, obwohl ihn die kalte Wut für alles andere blind machte – abgesehen von dem Wunsch, diesem Kapitän ins Gesicht zu schlagen.
    »Verdammt, was machen Sie da?« Der Mann konnte sich vor Wut und Trunkenheit kaum artikulieren.
    Keen erwiderte seinen zornigen Blick. »Ich bin der Flaggkapitän des Admirals. Sie mißbrauchen Ihre Macht, Sir.« Zu seiner Erleichterung hörte er die Seesoldaten an Bord klettern – endlich! Inch hatte seine Männer offenbar vor dem Sturm abgezogen. Einen Augenblick später, und er, Stayt und die anderen wären überwältigt worden.
    Leutnant Ord schien unfähig, auf die Lage zu reagieren, doch Blackburn, sein stämmiger Wachtmeister, schnarrte: »Bajonett pflanzt auf! Wer sich rührt, wird niedergestochen!« Blackburn traute keinem, der nicht den roten Rock der Royal Marines trug.
    Der klirrende Stahl schien den häßlichen Kapitän zu schockieren.
    »Sie ist eine verdammte Diebin«, sagte er beschwichtigend. »Nichts als eine gewöhnliche Hure. Auf meinem Schilf herrscht Ordnung und Disziplin! Wenn es nach mir ginge…«
    Er verstummte, als Keen befahl: »Schneidet sie los und deckt sie zu.«
    »Sie ist ohnmächtig, Sir«, rief ein Matrose.
    Keen zwang sich, zur Gräting hinüberzugehen. Er sah, wie sie in ihren Fesseln hing, wie das Blut ihr Rückgrat entlangrann. Ihre Brüste waren gegen das Gitter gepreßt, und er konnte ihr Herz schlagen sehen. Sie war ohnmächtig geworden, aber der Schmerz würde geduldig auf sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher