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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition)
Autoren: Sonja Silberhorn
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herausgefallen war. Das kleine Mädchen streckte die Hand danach aus, und er reichte ihn ihr, streichelte ihr über den Kopf und zog dabei die warme Wollmütze herunter. Es war gut geheizt, und die Kleine hatte schon ganz rote Backen. Mit fahrigen Händen legte er die Mütze auf die Couch und setzte sich wieder, während der Tiger mit Schmackes wieder aus dem Laufstall flog. Draußen fiel die Haustür ins Schloss.
    Wenige Sekunden später kehrte Beate Wahlner ins Wohnzimmer zurück und ließ sich kraftlos auf die Couch fallen. »Jetzt können wir reden.«
    Raphaels Blick hing gedankenverloren an dem großformatigen Familienfoto, das über dem Sideboard hing. Jan Wahlner war ein attraktiver Mann gewesen, stolz lächelnd legte er eine Hand auf die Schulter der kleinen Lena, die eine vorwitzige Schnute zog. Den rechten Arm hatte er um seine Frau gelegt, in deren Armen wiederum das blonde Baby lag. Eine glückliche Familie, so hatte es den Anschein. Aber den hatte es schließlich oft. »Frau Wahlner, bitte schildern Sie uns noch einmal, wann und wo Ihr Mann verschwunden ist«, bat ich sie.
    »Ja, also«, sagte sie und räusperte sich. »Das war nach der Firmenweihnachtsfeier. Oder besser gesagt: währenddessen. Anscheinend war er plötzlich weg, ohne sich von irgendwem zu verabschieden.«
    »Sie waren nicht auf dieser Weihnachtsfeier?«, fragte Raphael.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich war zu Hause und habe auf die Kleinen aufgepasst. Seit Lena auf der Welt ist, habe ich mit der Firma nicht mehr viel zu tun.«
    »Für welche Firma arbeitete Ihr Mann, Frau Wahlner?«
    » HEUREKA , am Neupfarrplatz. Er ist … war einer der beiden Teilhaber.«
    »Vor Lenas Geburt«, nahm ich den Faden wieder auf, »hatten Sie mehr mit der Firma zu tun?«
    Sie nickte abwesend. »Ja, ich habe auch dort gearbeitet. Schon während des Studiums – so haben wir uns kennengelernt, Jan und ich.«
    »Wo fand die Weihnachtsfeier denn statt?«, fragte Raphael.
    »Im Salzstadel, und später sind dann alle in die Karmalounge weitergezogen. Aber ob Jan da noch dabei war, war nicht mehr genau nachzuvollziehen. Die meisten Mitarbeiter haben ausgesagt, ihn dort nicht mehr gesehen zu haben.« Sie sah mich ausdruckslos an und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Mir ist erst am nächsten Morgen aufgefallen, dass er nicht heimgekommen ist«, fuhr sie fort. »Und als er abends noch immer nicht zu Hause war und ich ihn am Handy auch nicht erreichen konnte, habe ich dann eben die Polizei alarmiert. Ich war mir sicher, dass irgendetwas passiert sein musste.«
    Lautstark fing die Kleine im Laufstall zu weinen an.
    »Sie sollten Ihrer Tochter die warmen Sachen ausziehen«, sagte Raphael behutsam.
    »Ach du meine Güte.« Beate Wahlner fuhr zusammen, sprang auf und hob ihre Tochter aus dem Laufstall. Trotz ihrer zitternden Hände schälte sie die Kleine flink aus dem Schneeanzug, worauf diese prompt ihr Weinen einstellte. Mit dem Baby auf dem Schoß setzte sich Beate Wahlner zurück auf die Couch.
    »Trank Ihr Mann viel Alkohol?«, kam ich wieder zum Thema zurück.
    »Nein, und auf Firmenveranstaltungen war er sogar immer nüchtern. Es macht sich nicht gut, wenn sich der Chef vor seinen Angestellten zuknallt«, stellte sie treffend fest. »Sascha hat gesagt, er hätte ihn den ganzen Abend nur O-Saft und Wasser trinken sehen.«
    »Wer ist Sascha?«, hakte ich ein.
    »Der zweite Teilhaber von HEUREKA . Und ein Freund.«
    »Ein Freund Ihres Mannes? Oder Ihr Freund?«
    »Beides«, antwortete sie zögerlich und rieb sich die Nase.
    »War Ihr Mann gesundheitlich beeinträchtigt?«, fragte Raphael. »Hatte er eine Sehschwäche, Kreislaufprobleme oder Schwindelanfälle?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Oder«, fuhr Raphael fort, »nahm er irgendwelche Medikamente? Gab es irgendetwas, was einen versehentlichen Sturz in die Donau erklären würde?«
    »Nein, gar nichts«, erwiderte sie achselzuckend. »Er nahm keine Medikamente. Ihm ging es gut.«
    »Können Sie sich vorstellen«, fragte ich behutsam, »dass Ihr Mann Selbstmord begangen hat? Hatte er Depressionen? Oder Probleme?«
    »Nein, im Gegenteil«, antwortete sie erstaunt. Als wäre sie auf diese Idee noch gar nicht gekommen. »Er hat sich verhalten wie immer. Wir haben doch erst das Haus gebaut, und er hatte große Pläne für die Firma, wollte umstrukturieren und sogar auf den amerikanischen Markt expandieren …« Entschieden verneinte sie. »Er war guter Dinge, optimistisch, hat sich auf die
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