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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha
Autoren: Robert Menasse
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Jahr: sehr zärtlich. Ich machte das Frühstück. Wir hatten Pläne. Schmiedeten sie. Wir pflegten einander, wenn einer krank wurde. Wir wurden nie schwer krank. Verkühlung, erhöhte Temperatur.
    So verging das zweite Jahr: Ich machte das Frühstück. Wir bekamen Karrierechancen. Wir arbeiteten sehr hart. Wir erzählten einander davon, wenn wir uns spät am Abend zu Hause trafen und Gin Tonics tranken. Im Bett: Zärtlichkeit.
    So verging das dritte Jahr: Ich machte das Frühstück. Beate wurde Leiterin der Marketingabteilung, ich wurde Leiter der Leben-Redaktion. Wir pflegten einander im Krankheitsfall, also bei Verkühlung und erhöhter Temperatur. Tee trinken. Keine Gin Tonics. Ich vertrage das nicht mehr, sagte Beate. Ich trank rituell ein Bier vor dem Einschlafen. Früh ins Bett. Gelegentlich Zärtlichkeit. Ein Kind? Nicht jetzt!
    So verging das vierte Jahr: Ich machte das Frühstück. Wenn wir frühstückten. Zunahme des Berufs-Stress. Die Pläne wurden konkreter. Sie waren zwar nicht identisch mit denen, die wir geschmiedet hatten, aber sie waren konkreter. Die Erfüllung unserer Wünsche war zum Greifen nah. Es waren zwar nicht die Wünsche, die wir gehabt hatten – aber sie waren jetzt zum Greifen nah. Früher ins Bett. Schlafen bis zum letzten Moment. Ab und zu rasches, routiniertes »Abmelken«.
    Das fünfte Jahr: Beate kam in die Geschäftsführung von Inditex Österreich. Ich einige Monate später in die Chefredaktion.
    Das sechste Jahr: Ich machte das Frühstück. Wenn wir frühstückten. Ich hatte größeres Bedürfnis danach. Ich schlief schlecht. Stand früh auf. Neuer Bäcker in der Straße. Türke. Frisches Brot schon um sechs Uhr. Immer mehr Abendtermine. Meine waren meistens erfunden. Sehnsucht nach Zärtlichkeit.
    Das siebente Jahr: Ein Kind? Nein. Zu spät. Beate kam in den Aufsichtsrat.
    Exkurs: Autos! Abfolge: Peugeot 205. Golf GTI. Toyota Avensis.
    Achtes Jahr: zwei Autos. Beate: der neue Mini Cooper. Ich: Landrover, weil: Kauf des Hauses in Groß-Schweinskreutz. Zwei Kredite. Bett: Ausweichen. Chronische Müdigkeit.
    Neuntes Jahr: Frühstück, Arbeit, Krankenpflege. Vorsorge-Untersuchungen. Krebsangst. Ich sagte, man kann eine Brust amputieren, aber nicht unsere Liebe. War aber nicht notwendig. Neue Lebensgier. Wie die Stadt sich verändert hatte! So viele neue Lokale. Restaurierte Fassaden, revitalisierte Viertel. Mitgliedschaft in Fitnessklub. Reisen. Aggressionen: Reisen langweilten und irritierten mich. Ich vertrug das Klima nicht, ich vertrug das Essen nicht, ich vertrug das Nichtverstehen der Sprachen nicht. Was mache ich in Bali? Wozu haben wir das Haus in Groß-Schweinskreutz? Beate vertrug mich nicht.
    Zehntes Jahr: Entdecken des Hotels »Zur Spinne«. Ich wurde Spezialist für frustrierte verheiratete Frauen. Diese Gier! Sie erregte mich, sie überforderte mich. »Warum haben wir uns nicht vor fünfzehn … vor zwanzig Jahren kennengelernt? Alles wäre anders geworden!«. Der Liebhaber wäre der Mann, der Mann wäre der Liebhaber.
    Zwölftes Jahr: Umbau der Wohnung. Begegnung mit Christa.
    Dreizehntesjahr: Umbau des Hauses in Groß-Schweinskreutz. Beginn der Therapie bei Dr. Hannah Singer. Beate: Chairwoman of the International Board of Textil Industries. Ich: Entlassung.
    Aber irgendwie ist es doch gutgegangen. Unerlöst. Aber gut. Irgendwie.
    80.
    Ich saß im Café Landtmann und wartete auf Christa, als Franz anrief. Er bot mir einen Pauschalistenvertrag an. Er fühle sich verantwortlich für mich, er könne nicht mit ansehen, wie ich »abstinke«, sagte er. Mit der Chefredaktion sei das abgesprochen. Der unerwartete Erfolg der neuen Serie habe dies sehr erleichtert. Wer hätte das ahnen können, nach dem »Schnittlauchbrot«. Aber es war ein Erfolg. Wer habe das ahnen können? Nun sei auch der Ducasse nachgeholt worden. Ist vergangene Woche erschienen. Ob ich das gesehen habe?
    Nein.
    Weißt du, was er für ein Rezept geliefert hat? Grießbrei. Der Trick ist: Er kocht es mit Safran. Powersnack eines Sterne-Kochs, fertig in fünf Minuten. Und jeder Idiot bringt das zusammen. Ist das nicht genial?
    Warst du in Paris?
    Ja, sagte Franz. Und jetzt: Ü-ber-raschung! Weißt du, wen ich dort getroffen habe?
    Ich habe nicht die geringste Vorstellung, sagte ich.
    Kannst du dich noch an Alice erinnern? Sag nicht, du kannst dich nicht an sie erinnern! Alice!
    Alice?
    Ja. Mir ist eingefallen, dass sie doch damals nach Paris gegangen ist. Und Traude hat die Meisterleistung vollbracht, in
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