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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha
Autoren: Robert Menasse
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fünf Minuten ihre Nummer rauszufinden. Sie lässt dich herzlichst grüßen.
    Traude?
    Nein, Alice. Du, Nathan, ich sage dir, es hat gebrannt.
    Die Autos?
    Was für Autos? Nein, zwischen uns. Alice und mir. Es war un-glaublich. Sie ist so – wie soll ich sagen? Du kennst sie ja. Du erinnerst dich? Und zugleich ist sie jetzt ganz anders, so französisch. Wie soll ich sagen? Sie ist wie ein Diamant, der vom besten Diamantschleifer bearbeitet worden ist. So viele neue Facetten. Sie ist ein Star geworden in Frankreich –
    Ein Star?
    In diesem Moment kam Christa ins Café, sah sich suchend um.
    Du, ich muss Schluss machen. Ich habe gerade eine Besprechung.
    Ja gut, alles klar. Wir treffen uns demnächst, und ich erzähle dir alles. Nur ganz schnell eines noch: Pauschalistenvertrag. Das machst du doch! Du kannst zu Hause arbeiten, die Artikel mailen. Ich wünschte, ich könnte mit dir tauschen. Nie wieder in die Bude gehen müssen, aber schönes Geld.
    Ich bin zu stolz, sagte ich.
    Christa hatte mich gesehen, kam zu meinem Tisch.
    Das heißt, sagte Franz, du machst es nicht?
    Nein, das heißt, ich mache es. Ich bin zu stolz, um nichts zu tun.
    Ich war plötzlich sehr müde. Ich stand auf und küsste Christa. Ich schaltete das Handy ab. Ich war auf alles gefasst. Man verwechselt Lethargie gerne damit: auf alles gefasst zu sein. Christa machte es sich in der Loge bequem. Ihr Mund war etwas zu groß, im Verhältnis dazu ihre Nase zu klein. Es hatte etwas Rührendes. Ich liebte sie. Ich wusste, dass das nichts bedeutete. Aber es war so: Ich liebte sie. Auf ihrer Stirn sah ich Schweiß. Ein ganz zarter Film, ein leichtes Glänzen. Sie musste gelaufen sein. Herr Robert, der Oberkellner, kam zum Tisch. Christa bestellte Prosecco.
    Gibt es etwas zu feiern?
    Es gibt Neuigkeiten.
    Und die sind so anstoß-erregend?
    Nathan! Diesen Kalauer kenne ich schon!
    Also zwei Glas, bitte!
    Christa lächelte mich an. Schweigend. Etwas war anders. Sie war so – verschmitzt. Ein Diamant mit neuen Facetten, dachte ich. Ich wurde unruhig. Erzähle, sagte ich. Dann kamen die Proseccos. Wir stießen an. Ich habe einen Ruf bekommen, sagte sie. Ich übersiedle in drei Wochen nach Berlin und übernehme eine Professur an der Humboldt-Universität. Prost!
    Ich sah sie an.
    Ich war die Erste auf dem Dreier-Vorschlag. Die Berufungszusage ist in Ordnung.
    Das heißt?
    Ich bin weg.
    Wie wird die Industriellenvereinigung das verkraften?
    Die Industriellenvereinigung wird keinen Verlust erleiden. Georg kommt nicht mit.
    Du trennst dich von deinem Mann?
    Ja. Was soll er in Berlin? Andererseits: Warum soll ich auf die Professur verzichten? Er verzichtet nicht, ich verzichte nicht. Und die große Liebe ist es nicht mehr. Würde ich sonst mit dir – hier sitzen? Ich will noch einen Prosecco.
    Ich auch. Soll ich mitkommen? Ich komme mit.
    Vergiss es, Nathan. Du bist die schönste Ausnahme. Aber du wärst ein Desaster im Alltag. Du bist gut verheiratet. Du liebst deine Frau. Du hast unfassbares Glück mit ihr: Sie kann, was ich nie könnte.
    Was?
    Über Jahre einen Mann ertragen, der ohne nachzudenken zu einer Frau im Café sagt: Ich komme mit dir nach Berlin.
    Du hast einen anderen!
    Jeder ist ein anderer.
    Ich will noch einen Prosecco.
    Ich auch.
    Und jetzt?
    Wir werden uns voneinander verabschieden. Und wir machen uns ein Fest daraus. Etwas ganz Besonderes.
    Ein Fest?
    Ja, ein unvergessliches Fest.
    Ich liebe dich.
    Ich liebe dich auch, Nathan. Ich finde dich witzig und geil, und du hast einen guten Schwanz und es hat mir immer Spaß gemacht mit dir und –
    Und jetzt willst du Schluss machen?
    Ich will nicht Schluss machen. Ich gehe weg. Ich will mit dir ein Abschiedsfest machen. Ich kenne dich jetzt recht gut, Nathan, wie lange sind wir – zusammen? Zwei Jahre?
    Ja, zwei Jahre.
    Ich glaube, ich habe dich durchschaut. Ich habe immer mehr davon gehabt als du. Manchmal bist du gar nicht gekommen. Ich finde das witzig: ein Mann, der einen Orgasmus vorspielt. Ich gebe dir etwas zurück. Wir machen eine unvergessliche Abschiedsnacht. Ich sage dir gleich meine Idee. Und du musst mir sagen, wann in den nächsten zwei Wochen du einen Tag unverdächtig Zeit hast.
    Jederzeit.
    Gut. Und das ist meine Idee. Erinnerst du dich noch an unser Gespräch über Finger und Faust? Wer mehr Lust empfindet, Mann oder Frau?
    Ja, sagte ich. Noch ein Prosecco.
    81.
    Die erste Empfindung eines jeden Menschen, die erste Erfahrung auf der Welt ist die Unlust: im Moment seiner Geburt.
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