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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
Autoren: Carlos Castaneda
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Genaros Kriegergeist zum Ausdruck bringen. Ich verhedderte mich in meinen Worten und sagte schließlich gar nichts. Oder noch schlimmer, es klang am Ende, als ob ich mich wieder beklagte.
    Don Juan schüttelte den Kopf und schmatzte in gespielter Mißbilligung mit den Lippen. Ich mußte unwillkürlich lachen. Es machte mir aber nichts aus, daß ich meine Chance vertan hatte, ihnen meine Bewunderung auszudrücken, denn auf einmal ergriff ein ganz eigenartiges Gefühl von mir Besitz. Ich empfand Heiterkeit und Freude, ein köstliches Freiheitsgefühl, das mich zum Lachen brachte. Ich sagte Don Juan und Don Genaro, daß es mir ganz egal sei, wie meine Begegnung mit dem »Unbekannten« ausgehen werde, daß ich mich glücklich und vollkommen fühlte und daß es mir im Augenblick nichts ausmachte, ob ich lebte oder sterben würde. Don Juan und Don Genaro schienen sich über meine Behauptungen fast noch mehr zu freuen als ich selbst. Don Juan schlug sich lachend auf die Schenkel. Don Genaro warf seinen Hut auf den Boden und stieß einen Schrei aus, als ob er auf einem wilden Pferd ritte. »Wir haben uns vergnügt und gelacht, während wir warteten, genau wie der Zeuge es empfohlen hat«, sagte Don Genaro ganz plötzlich. »Aber es ist eine natürliche Ordnung, daß auch dies ein Ende hat.« Er blickte zum Himmel. »Es ist beinahe Zeit, daß wir auseinandergehen, wie die Krieger in der Geschichte«, sagte er »Aber bevor wir unsere getrennten Wege gehen, muß ich euch ein Letztes sagen. Ich werde euch ein Geheimnis des Kriegers enthüllen. Vielleicht kann man es eine innere Wahl des Kriegers nennen.« Er wandte sich besonders an mich und meinte, ich hätte ihm einmal gesagt, daß das Leben eines Kriegers kalt und einsam und leer an Gefühlen sei. Und er fügte hinzu, daß ich wohl auch in diesem Augenblick davon überzeugt sei. »Das Leben eines Kriegers kann unmöglich kalt und einsam und gefühlsleer sein«, sagte er, »denn es gründet sich auf seine Liebe, seine Hingabe, seine Verehrung für seine Geliebte. Und wer, wirst du fragen, ist seine Geliebte? Ich werde sie dir jetzt zeigen.« Don Genaro stand auf und ging langsam zu einer vollkommen ebenen Stelle, drei, vier Meter vor uns. Dort machte er eine merkwürdige Gebärde. Er bewegte seine Hände, als ob er Staub von seiner Brust und seinem Bauch fegte. Dann geschah etwas Seltsames. Ein Blitz von beinahe unwahrnehmbarem Licht durchzuckte ihn. Er kam aus dem Boden und schien seinen ganzen Körper zu entzünden. Er machte so etwas wie einen Salto rückwärts oder, genauer gesagt, einen Kopfsprung und landete auf Brust und Armen. Diese Bewegung führte er mit solcher Präzision und Geschicklichkeit aus, daß er mir wie ein gewichtsloses Wesen erschien, ein wurmartiges Geschöpf, das sich um sich selbst gedreht hatte. Am Boden führte er dann eine Reihe übernatürlicher Bewegungen aus. Er schwebte ein paar Zentimeter über dem Boden oder er rollte wie auf Kugellagern oder er schwamm darüber hin, wobei er Kreise beschrieb und sich mit der Schnelligkeit und Beweglichkeit eines Aales im Meer wand.
    Irgendwann fingen meine Augen an zu schielen, und dann sah ich, ohne Übergang, eine leuchtende Kugel wie über die Fläche eines Eisparketts hin- und hergleiten, auf der Tausende Lichter glitzerten.
    Es war ein erhabener Anblick. Dann blieb die Feuerkugel stehen und verharrte reglos. Eine Stimme schreckte mich auf und lenkte meine Aufmerksamkeit ab. Es war Don Juan, der sprach. Zuerst konnte ich nicht unterscheiden, was er sagte. Ich schaute wieder zu der Feuerkugel hin. Ich entdeckte nur Don Genaro, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen am Boden lag. Don Juans Stimme war sehr klar. Sie schien eine Reaktion in mir auszulösen, und ich fing an zu schreiben. »Genaros Liebe ist die Welt«, sagte er. »Jetzt eben hat er diese gewaltige Erde umarmt, aber da er so winzig ist, kann er nur in ihr schwimmen. Aber die Erde weiß, daß Genaro sie liebt, und sie schenkt ihm ihre Fürsorge. Deshalb ist Genaros Leben bis zum Rand erfüllt, und sein Dasein, wie immer es sein mag, ist Überfluß. Genaro wandert auf den Pfaden seiner Liebe, und wo immer er ist, da ist er ganz und gar.« Don Juan hockte sich vor uns. Zärtlich streichelte er den Boden.
    »Dies ist die >Innere Wahl< zweier Krieger«, sagte er. »Diese Erde, diese Welt! Für einen Krieger kann es keine größere Liebe geben.«
    Don Genaro stand auf und hockte sich für einen Augenblick lang neben Don Juan, währenddessen sie uns
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