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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
Autoren: Carlos Castaneda
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ethnologischen Feldstudie hervorgegangen, die ich im US-Staat Arizona und im mexikanischen Bundesstaat Scncra durchführte. Während meiner Vorbereitung auf die Promotion am Anthropology Department der Universily of California, Los Angeles, lernte ich zufällig einen alten Schamanen kennen, einen Yaqui-Indianer aus Sonora in Mexiko. Sein Name war Juan Matus.
    Ich beriet mit einer Reihe von Professoren am Anthropology Department die Möglichkeit, gleich mit der anthropologischen Feldforschung zu beginnen und mich des alten Schamanen als wichtigstem Informanten zu bedienen. Jeder dieser Professoren versuchte, mich von meinem Vorhaben mit der Begründung abzubringen, ich müsse, bevor ich an Feldforschung denken dürfe, vorrangig den Pflichtstoff der allgemeinen Studienfächer bewältigen und die formalen Voraussetzungen einer  Promotion erfüllen, zum Beispiel schriftliche und mündliche Prüfungen ablegen. Die Professoren hatten völlig recht. Es bedurfte keiner Überredung von ihrer Seite, um mir ihre Ratschläge einsichtig zu machen.
    Allerdings gab es einen Professor, Dr. Clement Meighan, der mein Interesse an der Feldarbeit vorbehaltlos anspornte. Und ihm gebührt meine ganze Anerkennung dafür, daß er mich zur Durchführung meiner anthropologischen Forschungen inspirierte. Er war es auch, der mich drängte, die sich mir bietende Chance unbedingt wahrzunehmen. Die Empfehlung beruhte auf seinen persönlichen Felderfahrungen als Archäologe. In seiner Arbeit, sagte er mir, habe er festgestellt, daß der Zeitfaktor wichtig sei; daß es nicht mehr sehr lange dauern würde, bis unermeßliche und komplexe Wissensgebiete, die zu den Errungenschaften vom Untergang bedrohter Kulturen gehörten, unter dem Ansturm moderner Technologien und philosophischer Strömungen für immer verloren gingen. Als Beispiel verwies er mich auf die Arbeiten anerkannter Anthropologen um die Jahrhundertwende und zu Anfang des 20. Jahrhunderts, die in aller Eile, wiewohl mit größter methodischer Sorgfalt, Informationen über die Kultur der amerikanischen Indianer in den Prärien und in Kalifornien gesammelt hatten. Ihre Hast war berechtigt, denn im Verlauf einer Generation waren alle Informationsquellen über die meisten dieser indigenen Kulturen, besonders über die Indianerkulturen Kaliforniens, verschüttet. Und während dies alles passierte, hatte ich das Glück, an Seminaren mit Professor Harold Garfinkel vom Sociology Department der UCLA teilzunehmen. Er war es, der mir ein höchst bedeutsames ethnomethodologisches Paradigma vermittelte, wonach das praktische Tun und Treiben des Alltagslebens berechtigter Gegenstand des philosophischen Diskurses sei; jedes zu untersuchende Phänomen müsse im Licht seiner eigenen Gegebenheiten und gemäß seiner eigenen Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge untersucht werden. Falls es Gesetze oder Regeln abzuleiten gäbe, müßten diese Gesetze und Regeln dem Phänomen selbst entsprechen. Das praktische Tun der Schamanen, als kohärentes System mit eigenen Gesetzmäßigkeiten und Strukturen betrachtet, wäre also ein würdiger Gegenstand ernsthafter Forschung. Solch eine Forschung dürfe aber nicht a priori erstellten Theorien oder Vergleichen mit empirischem Material unterworfen werden, das unter der Regie eines anderen philosophischen Prinzips gewonnen wurde. Unter dem Einfluß dieser zwei Professoren vertiefte ich mich also in meine Fekforschurig Meine zwei Leitmotive, die ich aus der Begegnung mit diesen Männern gewonnen hatte, waren: daß die kulturellen Denkprozesse der amerikanischen Ureinwohner nur noch sehr kurze Zeit bestehen bleiben würden, bis alles im Mischmasch der modernen Technologie unterging und daß das zu beobachtende Phänomen, was es auch sein mochte, ein berechtigter Forschungsgegenstand war und meine ganze Sorgfalt und Ernsthaftigkeit verdiente.
    Ich tauchte so tief in die Feldforschung ein, daß ich mir sicher bin, gerade die Leute, die mich förderten, am Ende enttäuscht zu haben. Ich hatte mich auf ein Gebiet begeben, das Niemandsland war. Es war kein Gegenstand der Anthropologie oder Soziologie, noch der Philosophie oder  Religionswissenschaft. Ich war den eigenen Gesetzmäßigkeiten und Strukturen des Phänomens gefolgt, aber es blieb mir versagt, sicheren Boden zu gewinnen. Und so setzte ich meine ganze Anstrengung aufs Spiel, da ich mich von den adäquaten akademischen Normen abwandte, an denen ihr Wert oder Unwert zu messen gewesen wäre. Als irreduzible
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