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Dollars

Dollars

Titel: Dollars
Autoren: Gerben Hellinga
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zu kommen. Sie wurde rot, nahmeinen zu großen Schluck Sherry, verschluckte sich und mußte husten. Als sie sich gefangen hatte, bot ich ihr eine Zigarette an – immer galant bleiben! –, die sie mit zittrigen Fingern zwischen ihre Lippen schob.
    Mann, war die nervös! Wir quatschten ein bißchen über dies und jenes, und ich erkundigte mich nach Bekannten und Kollegen. Nicht, daß die mich noch im Geringsten interessiert hätten, aber ich wollte Annette ein bißchen beruhigen. Sie erzählte unzusammenhängend von diversen Hochzeiten und Sterbefällen in ihrem Umfeld, und sog dabei wie wild an ihrer Zigarette.
    Wie es Peter gehe, fragte ich. Oh, Peter gehe es so gut, er sei heute in Düsseldorf, oh, das habe sie ja schon erzählt. Ja, er habe Aufträge noch und nöcher und verdiene Geld wie Heu, er sei zwar ein bißchen überarbeitet gewesen, aber der Urlaub habe ihm gutgetan. Ja, zum Glück. Endlich kam sie auf die Idee, auch mal zu fragen, wie es denn mir gehe. Blendend. Fein, du siehst auch gut aus. Danke. Wirklich. Ja, danke. Wann bist du zurückgekommen? Gestern. Blablabla. Sie schenkte noch einmal nach, beugte sich zu mir herüber – mir fiel auf, daß ihre Augen die gleiche Farbe hatten wie der Sherry, den wir tranken – und sah mich ernst an.
    »Hör mal, Sid, ich finde, daß wir in der Lage sein müssen, diese Situation wie erwachsene Menschen zu handhaben.« »Da bin ich ganz deiner Meinung, Annette.«
    »Findest du nicht auch, daß es möglich sein muß, daß wir drei genauso miteinander umgehen wie, na ja, sagen wir mal wie früher?«
    Ob ich überhaupt Lust hatte, mit jemandem umzugehen wie, na ja, sagen wir mal wie früher, wurde ich gar nicht erst gefragt.
    »Ja, das finde ich auch.« Der trottelige Onkel erfaßte, daß dieliebe Verwandtschaft ihn bequatschte, sein Wochenendhaus endgültig abzutreten, traute sich aber noch nicht, das abzulehnen.
    »Würdest du dann heute abend zum Essen zu uns kommen? Dann können wir das Ganze mal in aller Ruhe zu dritt besprechen.«
    Was hieß hier »das Ganze«? Und was »in aller Ruhe«?
    »Ich würde ja schon gern, aber ich weiß noch nicht, ob ich
    kann. Ich bin nämlich heute abend schon bei Jeanette eingela–
    den. Aber daraus wird vielleicht nichts.«
    Sie fuhr hoch und sah mich ungläubig an. »Hast du Jeanette denn schon gesehen?« Sie meinte: Bist du etwa zuerst zu Jeanette gegangen und dann erst zu mir?
    »Ja. Sie war Stewardess in dem Flugzeug, mit dem ich gekommen bin.«
    »Ach so.« Sie entspannte sich wieder. »Und warum sollte nichts daraus werden?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe heute morgen schon einmal bei ihr angerufen, aber sie war nicht zu Hause. Darf ich noch mal von hier anrufen?«
    »Bitte.«
    Darf ich noch mal von hier anrufen! Es war mein eigenes Telefon!
    Ich ließ es jetzt zwanzigmal bei Jeanette läuten, aber sie nahm nicht ab.
    »Ja, wann weißt du denn dann, ob du kommen kannst oder nicht?« fragte Annette, als ich auflegte, und blätterte dabei unwirsch in einer Zeitung.
    »Ich ruf’ dich heute nachmittag kurz an, in Ordnung?« »Aber nicht zu spät, ich muß noch einkaufen.«
    »Ich werde daran denken.«
    »Noch einen Sherry?«
    »Nein, danke, ich geh’ dann jetzt mal. Ich ruf mir noch schnell ein Taxi.«
    Während ich der Taxizentrale die Adresse durchgab, sah ich mir Annette noch einmal genau an. Sie war eine schöne Frau, und wie jede schöne Frau hatte sie einen schwierigen Charakter. Aber schöne Frauen haben es auf dieser Welt ja auch nicht leicht. Ich wäre auch nicht gern der Honigtopf, um den die Fliegen schwärmen.
     
    Endlich hatte ich nun meine Klamotten wieder. Vor sechs Jahren, als meine Karriere allmählich in Gang gekommen war, hatte ich fünf Hobbys gehabt: Bücher, Klamotten, Frauen, Autos und Alkohol. In genau der Reihenfolge. Drei Jahre später, als meine Karriere gefestigt und ich verheiratet war, waren nur noch drei davon übrig gewesen: Bücher, Klamotten und Autos. Und jetzt waren es nur noch zwei: Bücher und Klamotten. Autos interessierten mich nicht mehr, und Frauen und Alkohol waren kein Hobby mehr, sondern bittere Notwendigkeit.
    Klamotten. Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich zu den zehn bestgekleideten Männern Amsterdams gehört habe. Nun ist natürlich im Land der Blinden der Einäugige sehr schnell König, zugegeben, aber ich glaube, ich hatte zwei scharfe Augen für Mode. Nicht, weil ich ein Geck war oder gar weibisch, sondern weil ich einfach perfekt geschnittene Anzüge liebte und
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