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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Autoren: Daniel Hanover
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Vor Abatha hatte Clara niemals darüber nachgedacht, ob Vincen eine Familie besaß. Er war ein Diener, und offenbar hatte sie sich vorgestellt, dass Diener aus den Wänden sprangen, wenn man einen brauchte, und wieder gingen, wenn sie schwanger wurden. Im Rückblick hoffte sie, dass sie nicht zu sehr die Dame von Stand gewesen war.
    »Ja, ich gehe hinaus.«
    »Seid Ihr zum Mittagessen da?«
    »Das bezweifle ich. Ich werde fast bis zur Königshöhe gehen, und ich glaube nicht, dass ich ohne eine kleine Stärkung auskomme, wenn ich dort angelangt bin.«
    »Es gibt gerade Äpfel«, sagte Abatha. »Passen ganz gut zum Käse.«
    Clara hatte drei Tage gebraucht, bis ihr klar wurde, dass das nicht nur ein Angebot war, sondern das einzige Angebot, das Abatha vermutlich machen würde. Diesmal sagte sie nicht: Das klingt wunderbar oder Macht Euch bloß keine Gedanken um mich . Hätte sie es getan, wäre die Unterhaltung einfach zu Ende gewesen, und sie hätte ohne Äpfel oder Käse dagestanden.
    »Danke«, sagte sie. Das war eine sichere Wahl, weil es keine Antwort erforderte, und es sprach für sie, dass der Geist, zu dem sie geworden war, sich immer noch um Höflichkeit bemühte.
    Sie trug ein graues Trauergewand, und ihr Haar war unter einem Tuch verborgen, und sie schritt mit der Anmutung einer Frau einher, die wusste, wohin sie unterwegs war: die schmale, nach Kot stinkende Straße entlang bis zum nächstgrößeren, aber immer noch namenlosen Weg, der letztlich in den Gefangenenbogen münden würde. In all den Jahren, die sie in Camnipol gewohnt hatte, hatte sie den Gefangenenbogen so gut wie nie überquert, und auch jetzt gefiel es ihr nicht besonders. Das Stöhnen und Wimmern aus den Käfigen, die darunter hingen, beunruhigte sie, und wenn sie einmal beunruhigt war, fiel es ihr mitunter schwer, wieder damit aufzuhören. Sie war schon einmal auf einer Brücke schwach und wimmernd zusammengebrochen. Das reichte völlig.
    Aber es war der schnellste Weg, und nun, da es keine Kutschen oder Sänften mehr gab, spielte die Anzahl der Schritte auf einmal eine Rolle.
    Vincen war heute ebenfalls unterwegs. Auf der Suche nach Arbeit, sagte er. Sie fühlte sich deswegen merkwürdig schuldig. Sie sollte doch für ihn sorgen und nicht andersherum. Er war ihr Diener, nur dass er das natürlich nicht mehr war. Und sie konnte kaum Jorey bitten, ihr Geld zu geben, um ihn zu unterstützen. Das hätte sich allzu sehr angefühlt, als würde sie sich ihren Liebhaber von ihrem Sohn bezahlen lassen, was lächerlich war, denn Coe hatte sie genau ein Mal geküsst, und das lag ein ganzes Leben zurück. Aber selbst sie musste zugeben, dass es durch seine ständige sanfte, hündisch treue Anwesenheit, die schmerzhafte, langsame Neuerschaffung ihrer selbst und die Tatsache, dass er ein unwiderlegbar schöner Mann war, etwas weniger lächerlich aussah.
    Sie kam am anderen Ende des Gefangenenbogens an und blickte zurück. Er wirkte optisch viel kürzer als bei der tatsächlichen Überquerung. Sie nahm einen der Äpfel. Er war rot und reif, und sie wusste, dass sie ihn jetzt nicht essen sollte, weil sie dann nur auf dem Rückweg hungrig sein würde und ihn nicht mehr hätte. Der erste Bissen war herb, süß und herrlich. Der zweite auch.
    Ihr erster Halt war bei einem Bäcker, bei dem es, wenn er sein Geschäft ein halbes Dutzend Schritte weiter entfernt gemacht hätte, unmodisch geworden wäre, dort einzukehren. Es war im wahrsten Sinne des Wortes der letzte Ort, an dem eine ihrer alten Freundinnen nach ihr suchen würde. Ogene Faskellan war im besten Fall eine Art entfernte Base, aber sie war hoffnungslos verloren, wenn es ums Stricken ging, und Clara hatte immer dafür gesorgt, dass etwas anderes unternommen wurde, wenn sie an der Gesellschaft teilgenommen hatte, so dass Ogene sich nie dafür hatte hergeben müssen. Kleine Freundlichkeiten zahlten sich, wie sich erwies, groß aus.
    »Clara, du siehst wunderbar aus«, sagte Ogene, die von dem kleinen Tisch aufstand. »Bitte, ich hole dir etwas. Ein wenig zu essen.«
    »Nein«, widersprach Clara. »Du tust bereits viel zu viel für mich. Ich will mich nicht wie eine Almosenempfängerin fühlen, nicht noch mehr als ohnehin schon.«
    »Einen Bissen hiervon?«, fragte Ogene und hielt einen Teller mit einer weichen weißen Pastete und einer roten Soße nach oben, die nach Erdbeeren roch.
    »Nur einen Bissen«, erwiderte sie, »und sag, hast du etwas von Elisia gehört?«
    Die Luft in der Bäckerei roch
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