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Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Autoren: Daniel Hanover
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herabstieg, kauerte er sich an den hohen Ring aus Steinen, der sein kleines Feuer verbarg. Die trockenen Büsche brannten heiß und beinahe rauchlos, aber auch rasch. Er verfiel in einen Rhythmus, in dem er einen kleinen Zweig nach dem anderen an die Flammen verfütterte, wobei er sie nie so groß werden ließ, dass sie seinen Unterschlupf für jene ausleuchteten, die auf der Jagd waren, sie aber auch nie erlöschen ließ. Die Wärme schien nicht weiter vorzudringen als bis zu seinen Ellbogen.
    Weit entfernt kreischte etwas. Er versuchte, nicht darauf zu achten. Die Erschöpfung und die Mühen, die hinter ihm lagen, machten seinen Körper wund, aber sein Verstand, der nun von der dauernden Ablenkung durch die Reise frei war, nahm eine verhängnisvolle Geschwindigkeit auf. In der Dunkelheit wurde seine Erinnerung deutlicher. Das Gefühl von Freiheit und Erwartung wich dem Verlust, der Einsamkeit und dem Gefühl der Fremdheit. Diese drei, dachte er, würden ihn vermutlich eher töten als eine Raubkatze.
    Er war in Hügeln geboren worden, die diesen ganz ähnlich waren. Hatte seine Jugend damit verbracht, »Schwert und Peitsche« zu spielen, indem er Äste und aneinandergeknüpfte Rindenstreifen benutzte. Hatte er je den Ehrgeiz verspürt, sich den Mönchen in ihrem großen, verborgenen Tempel anzuschließen? Es musste so gewesen sein, obwohl es schwer war, sich das in der beißende Kälte seines armseligen steinernen Unterschlupfs vorzustellen. Er konnte sich daran erinnern, mit Ehrfurcht zu der hohen Steinmauer aufgeblickt zu haben. Zu den aus dem Fels gehauenen Wächtern aus allen dreizehn Rassen der Menschheit, die von Wind und Regen so stark verwittert waren, dass sie alle – Cinnae und Tralgu, Südlinge und Erstgeborene, Timzinae und Yemmu und Versunkene – die gleichen leeren Gesichter und geballten Fäuste zur Schau trugen. Ununterscheidbar. Nur die weiten Schwingen und Dolchzähne des Drachen, der sich über ihnen wölbte, stachen noch hervor. Und in das riesige Eisentor waren schwarze Buchstaben eingelassen, aus denen sich Worte in einer Sprache bildeten, die keiner im Dorf kannte.
    Als er Novize geworden war, hatte er gelernt, was sie hießen. Gebunden ist nicht gebrochen. Einst hatte er geglaubt zu wissen, was das bedeutete.
    Eine Veränderung in der Windrichtung ließ Funken wie Glühwürmchen aufsteigen. Ein Ascheteilchen stach ihm ins Auge, und er rieb mit dem Handrücken darüber. Eine Veränderung in seinem Blut ließ ihn schaudern, als die Ströme seines Körpers auf etwas ansprachen, das nicht zu ihm gehörte. Auf die Göttin, wie er geglaubt hatte. Er war mit den anderen Jungen seines Dorfes zu dem großen Tor gegangen. Er hatte sich selbst dargeboten – Leben und Körper – und dafür …
    Dafür waren ihm die Mysterien enthüllt worden. Anfangs war es nur Wissen gewesen: Lesen, so dass man die heiligen Bücher entziffern konnte, Rechnen, um die Buchhaltung des Tempels zu beherrschen. Er hatte von der Geschichte des Drachenimperiums gelesen und von der Geschichte seines Falls. Von der Spinnengöttin, die gekommen war, um der Welt Gerechtigkeit zu bringen.
    Täuschung, sagten sie, besaß keine Macht über sie.
    Er hatte es natürlich ausprobiert. Er hatte ihnen geglaubt und es trotzdem versucht. Er hatte die Priester belogen, nur um herauszufinden, ob es möglich war. Er hatte sich Dinge ausgesucht, die nur er wissen konnte: den Klannamen seines Vaters, die Lieblingsspeisen seiner Schwester, seine eigenen Träume. Die Priester hatten ihn ausgepeitscht, wenn er Lügen sprach, und sie hatten ihn verschont, wenn er bei der Wahrheit blieb, und sie lagen niemals, niemals falsch. Seine Sicherheit war gewachsen. Sein Glaube. Als der Hohepriester ihn ausgewählt hatte, um zum Novizen aufzusteigen, war er sicher gewesen, dass ihn Großes erwartete, weil die Priester ihm gesagt hatten, dass sie daran glaubten.
    Er hatte die Macht der Spinnengöttin im eigenen Blut gespürt, nachdem er den Alptraum seiner Weihe hinter sich hatte. Beim ersten Mal, als er gespürt hatte, wie jemand log, war es gewesen, als hätte er einen neuen Sinn entdeckt. Beim ersten Mal, als er mit der Stimme der Göttin gesprochen hatte, hatte er gespürt, wie seine Worte Glauben versprühten, als wären sie aus Feuer.
    Und nun war er in Ungnade gefallen, und möglicherweise war nichts davon wahr. Einen Ort wie die Keshet gab es womöglich gar nicht. Er glaubte, dass es ihn gab, so sehr, dass er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um
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