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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück
Autoren: Richard Gordon
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riskanter wird das Unternehmen. Am Ende des Lehrgangs steht ein ganz anderer Bursche da als der pausbäckige Junge mit den großen Rosinen, der ihn begonnen hatte. Anfangs ist es natürlich ein Heidenspaß, in einem sauberen weißen Mantel den Spitalsarzt zu spielen und von allen Schwestern mit «Guten Morgen, Herr Doktor» begrüßt zu werden, selbst wenn die Arbeit hauptsächlich darin besteht, unerfreuliche Dinge zu untersuchen, die in weißen Emailschüsselchen herangetragen werden. Es ist ein richtiger Schock, wenn man dann entdeckt, daß man von so was leben muß, wenn ich auch vermute, daß die meisten Spitalsärzte dasselbe fühlen und sich damit bescheiden. Die Öffentlichkeit hält nicht viel davon, ihr Leben Ärzten anzuvertrauen, die ihre Arbeit nicht lieben, obgleich sie es tagtäglich Autobusfahrern anvertraut, wo doch niemand voraussetzen kann, daß ein Autobusfahrer seinen Wagen liebt.
    Aber da ich nun einmal nicht Forscher werden konnte wie Dr. Livingstone, nicht Premierminister Frankreichs wie Dr. Clemenceau oder Cricketspieler wie Dr. W. G. Grace, mußte ich einen soliden Job finden wie alle anderen Leute. Und wie würden diese Wattles sein? fragte ich mich, als ich am Fischmarkt Porterhamptons vorbeifuhr. Vielleicht hüpften sie jetzt in froher Erwartung herum wie kleine Jungen, die am Geburtstag auf den Briefträger warten. Vielleicht aber hatten sie sich auch verschworen, mich wie einen medizinischen Laufburschen hin und her zu hetzen. Zum Glück währte mein deprimierter Gemütszustand nicht lange, da ich bald bezüglich meiner Arbeitsbedingungen beruhigt wurde.
    Ich entdeckte das Haus der Wattles am Rande eines Außenbezirkes in einer Straße voll weiträumiger viktorianischer Villen, die sichtlich prosperierenden Turbinenerzeugern Vorbehalten waren. Als ich in meinem Bentley, Modell 1930, vorfuhr, erschien die mütterliche Mrs. Wattle persönlich am Eingang.
    «Lieber Dr. Grimsdyke!» begrüßte sie mich. «Wir freuen uns ja so sehr, daß Sie sich entschlossen haben, sich in unserem recht schläfrigen Städtchen zu begraben.»
    «Ein ganz reizender Ort.»
    «Mr. Palethorpe hat in Worten höchsten Lobes von Ihnen gesprochen. Ich bin ja so schrecklich dankbar, daß er Sie überreden konnte, hierherzukommen! Aber Sie müssen nach der langen Fahrt müde sein. Ich führe Sie jetzt auf Ihr Zimmer, und sobald mein Mann von seiner Runde zurückkehrt, gibt es ein herzhaftes Mittagessen.»
    Ich schlüpfte aus meinem Mantel.
    «Ogottogott! Keine Knöpfe an Ihrem Hemd, Doktor! Lassen Sie mich das heut abend richten. Und was an Ihren Socken oder sonst auszubessern ist, lassen Sie einfach auf dem Küchentisch liegen.»
    Mein Zimmer ging ein bißchen von Chintz und Aquarellen englischer Abteien über, machte aber einen recht gemütlichen Eindruck. Es gab da ein Bücherregal voll Detektivgeschichten, einen Schreibtisch und ein riesiges Doppelbett, bereits aufgedeckt und mit einer Wärmflasche in Gestalt eines altväterischen Ingwerbierkruges versehen. Als ich nach dem Auspacken meiner Sachen hinunterging, fand ich auf dem Eßtisch Roastbeef und Yorkshire-Pudding, auf der Anrichte Apfelkuchen und Stilton-Käse vor.
    «Sie haben doch heute sicher nichts gegen eine Flasche Bier einzuwenden», gurrte Mrs. Wattle. «Mr. Palethorpe sagte, Sie trinken gelegentlich ein Gläschen.»
    Dr. Wattle hatte ich bei einer kurzen Vorsprache in London bereits kennengelernt; er war ein rosiges und schwitzendes Männchen mit einer Glatze, die einem frisch gekochten Ei glich.
    «Freut mich höchlichst, Sie begrüßen zu können, lieber Doktor.» Ein warmer Händedruck. «Wir dürfen Sie doch Gaston nennen, nicht wahr? Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Sie sich bei uns wohlfühlen werden. Ist das da draußen Ihr Wagen? Sehr flott von Ihnen, in einem offenen alten Sportwagen herumzufahren. Aber wenn es regnet, werden Sie doch lieber den Morris meiner Frau nehmen, nicht wahr? Wollen Sie einen Vorschuß auf Ihr Gehalt? Über Ihre Aufgaben sprechen wir später. Wann immer Sie sich freimachen wollen,
    brauchen Sie es nur zu sagen.»
    «Das ist Ihr Sessel, Gaston. Sie sitzen doch nicht im Zug?»
    «Hoffentlich finden Sie die Küche meiner Frau nach Ihrem Geschmack. Ist Ihnen das Roastbeef nicht zu stark gebraten?»
    «Lassen Sie's uns bitte wissen, wenn Sie Lust auf bestimmte Leckerbissen haben.»
    «Meerrettich gefällig?» fragte Mrs. Wattle.
    Zum Tee gab es Kuchen, zum Abendessen geräucherten Schellfisch, und danach saßen wir zu
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