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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Kuschnarowa
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eigenartig, aber seit unserem zweiten Treffen besuchte ich Julians Vater nun öfter. Natürlich hatte ich ihm nicht erzählt, dass sein Sohn mich geschlagen hatte und dass ich diejenige war, die gegangen war, aber Kemal hatte ganz recht gehabt: Julian war damals nicht Julian, sondern Abdel und hatte so etwas durchgemacht wie alle, die eine Sektenkarriere starteten. Gehirnwäsche. Und deswegen musste man Julian vielleicht mildernde Umstände einräumen.
    Seltsamerweise taten uns diese Treffen gut. Ein bisschen was hatte das Ganze von einer Séance, bei der wir Julian in unsere Mitte holten. Aber vielleicht waren wir einander nur Therapeuten. Wer wusste das schon?
    Allerdings waren diese Treffen der Julian-Engelmann-raus-aus-meinem-Leben-Strategie äußerst abträglich. Julian was back. Und wie. Was da in mir heranwuchs, fühlte sich an wie ein ganzes Dornengestrüpp. Ich vermisste dieses Arschloch und, verdammt, ich liebte ihn noch immer. Shit!
    Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus und ich machte mich zur Bruderschaft auf. Die Frauen starrten mich an, als wäre ich eine Erscheinung. Einige spuckten aus. In diesem Augenblick tauchte Shirin auf. Sie zuckte kurz zusammen, rang sich dann aber ein Lächeln ab. Sie warf meinen ehemaligen Schwestern einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte, und schwebte auf mich zu. Sie umarmte mich und zog mich weg vom Gelände der Bruderschaft.
    »Was machst du hier, Shania? Du weißt doch, dass du hier nicht mehr willkommen bist? Einige sähen dich sogar lieber tot als lebendig. Für sie bist du eine Vom-Glauben-Abgefallene. Eine Murtadda.«
    »Ich bin nicht vom Glauben, sondern nur von euch abgefallen«, sagte ich. Es war ein eigenartiges Gefühl, Shirin wiederzusehen. Ein bisschen tat es noch weh, sie als Freundin verloren zu haben. Aber nur ein bisschen.
    »Ach, Kind, glaub mir, ich freue mich sehr, dich wiederzusehen, aber bitte komm nie mehr auf das Gelände. Das nächste Mal wirst du nicht mehr die Überraschung auf deiner Seite haben und dann werden sie dich vielleicht schlagen oder Schlimmeres mit dir tun.«
    Ich nickte. Außerdem wollte ich ja nur noch eines wissen.
    »Shirin. Bitte, du weißt das doch bestimmt. Wann kommt Abdel zurück?«
    Shirin sah mich lange und traurig an. Dann sagte sie: »Das weißt du noch nicht? Abdel ist … Sei nicht traurig, aber er ist im Kampf für Allah gefallen. Freu dich, er ist ein echter Shahid und vielleicht wartet er im Paradies auf dich. Falls du«, sie zupfte an meiner Jeans herum, »falls du noch ein wenig an deinem Kleidungsstil arbeitest.«
    »Er … er ist tot? Aber neulich habe ich ihm doch noch Geld geschickt …«
    »Du hast ihm Geld geschickt?«, fragte Shirin.
    Matt nickte ich. Ehrlich gesagt verstand ich auch ihre Frage nicht.
    »Du bist ja ganz bleich geworden. Komm, setz dich.«
    Doch ich wollte mich nicht setzen, ich wollte weg. Das Dornengewächs fühlte sich an, als würde es jeden Augenblick durch mein Fleisch brechen.
    »Ich … ich muss jetzt gehen, Shirin.«
    Shirin fiel mir in die Arme und drückte mich. »Ich weiß, das muss alles sehr schlimm für dich sein. Aber glaub mir, Abdel ist schon im Paradies und ihm geht es gerade so gut, wie es ihm noch nie vorher gegangen ist.«
    Ich befreite mich aus Shirins Umarmung. »Danke, dass du mir das gesagt hast. Leb wohl!«
    Shirin blickte mir noch nach und ich hatte das Gefühl, dass der Boden unter mir wegsackte oder dass ich durch Treibsand lief und immer tiefer und tiefer sank, je mehr ich mich bemühte, von der Stelle zu kommen. Im Kampf für Allah gefallen. Im Kampf für Allah gefallen. Im Kampf für Allah gefallen. Dies hallte und hallte immer wieder in mir nach. Und es klang so falsch. So verdammt falsch.

Es ist schwer zu beschreiben. Bei meiner Rückkehr in die »Salafiyya-Bruderschaft« wurde ich gefeiert. Ich war der Held, weil ich im Ausbildungslager gewesen war und dort auch gekämpft hatte und nun würde ich auch bald noch ein Shahid sein, der den Djihad hierherbringen würde. Sie waren sich alle so sicher, dass ich selbst nicht mehr wirklich unsicher sein konnte. Oder? Ich hatte eine Mission. Ich war es Murat schuldig, ihn ins Paradies zu holen. Meine Brüder hatten viel Geld in mich investiert. Es gab nur einen Weg. Nach vorne. Und vorne, das war der Kampf für Allah.
    Ich versuchte den ganzen Abend, mich zu freuen. Und irgendwie freute ich mich ja auch. Aber da war auch immer noch so ein Schatten. Und dieser Schatten war Julian Engelmann, der aus
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