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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten
Autoren: Sigrid Lenz
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schüttelte ihr Haar zurück.
    “Es geht um dich, für mich geht es nur um dich”, flüsterte Eleonore und trat einen Schritt auf Hanna zu, die unmittelbar zurückwich. Eleonore ließ ihre Arme sinken, aber wandte den Blick nicht ab.
    “Dieser jemand weiß, wo dein Vater ist, eigentlich hat er mit dafür gesorgt, dass er sich an diesem Ort, in dieser Lage befindet. Und nicht nur das. Diese Leute haben Einfluss, mehr als du dir vorstellen kannst. Sie spielen mit uns, als wären wir Marionetten.”
    Hanna schüttelte den Kopf. “Ich will so etwas gar nicht hören.”
    “Aber vielleicht willst du hören, dass Thorsten mich vor Jahren gestellt hat.”
    Hanna riss die Augen auf und schloss sie gleich darauf wieder gottergeben. “Natürlich, wie sollte es auch anders sein.”
    “Ich würde nicht direkt sagen, dass wir alte Freunde sind, aber wir sind uns über den Weg gelaufen.” Eleonore bemühte sich, ein aufkeimendes Lächeln zu unterdrücken.
    “Er wäre sicher nicht erfreut gewesen, wenn er erfahren hätte, mit welch verlockenden Angeboten man sich direkt nach seiner Festnahme an mich gewandt hat.”
    “Wer...”, Hanna verstummte, unsicher, ob sie Weiteres erfahren wollte.
    “Die Regierung dieses Landes bemüht sich ständig um Flexibilität. Man war schon immer der Meinung, dass der Zweck jedes Mittel heiligt, insbesondere wenn es um geheime Einsätze geht. Aber das weißt du ja besser als die meisten.”
    “Ich verstehe nur nicht...“
    Eleonore sprach ruhig weiter, leise, und doch selbstsicher.
     
    “Das Schicksal sehr vieler Leute ist mit dem deines Vaters verknüpft. Es existieren weitreichende Verbindungen, zahlreiche überaus mächtige Personen fürchteten, durch ihn in der einen oder anderen Weise kompromittiert zu werden.”
    “Und was ist mit ihm passiert?” Hanna bemerkte, dass ihre Stimme besorgter klang, als sie sich zugestehen wollte.
    Eleonore zuckte mit den Schultern. “Er wurde erst einmal aus dem Weg geschafft.”
    Sie schüttelte hastig den Kopf, als sie bemerkte, wie Hanna zusammenzuckte. “Er lebt, aber... man kümmert sich um ihn. Ich kann dir auch nur sagen, was man mir gesagt hat.”
    “Hey!” Endlich wagte sie es, sich der Blonden zu nähern, erhob vorsichtig eine Hand, um sie an der Schulter zu berühren. “Er hat das mit Sicherheit nicht verdient.” Eine Pause entstand, in der nur noch das leise Atmen der beiden Frauen zu hören war.
    “Aber du auch nicht!”
    Ihre Augen trafen sich, als Hanna dieses Mal nicht zurückwich. Ein Schluchzen schüttelte sie, und durch den Wirbel ihrer widerstreitenden Gefühle, bemerkte sie es zu spät, als sich zwei Arme wie von selbst um sie legten. Als Eleonore sie erneut an sich zog und zärtlich ihren Rücken streichelte, ihre Finger sanft zu ihrem Hals hinauf gleiten ließ, um schließlich genau diese Stelle hinter ihrem Ohr zu liebkosen, an der Hanna am empfindlichsten war. Sie versuchte aus dem Strudel, der sie zu verschlingen drohte, aufzutauchen, kämpfte darum, die Kontrolle zu behalten. Doch der Kampf schien verloren, als Eleonores Mund sich näherte, als ihre Arme sich lockerten, hinab sanken und ihre Knie weich wurden.
    “Ich werde niemals zulassen, dass dir jemand weh tut”, hauchte Eleonore so leise, dass sie die Worte kaum erahnen konnte, und doch wusste sie, dass es die Wahrheit war. Sie wollte mehr als alles andere, dass es die Wahrheit sei, dass sich ihr vielleicht in diesem Moment die Möglichkeit bot, ihrem Schicksal zu entfliehen.
     

Gefangenschaft
    Luke starrte in die Dunkelheit, unfähig zu beurteilen, wie lange er dieses Mal in diesem Raum verbracht hatte, mittlerweile auch unfähig, dieser Frage eine Bedeutung zuzumessen. Es spielte keine Rolle, hatte keinen Sinn, die Gedanken in eine Richtung zu schicken, die bestenfalls ins Nirgendwo führen könnte, schlimmstenfalls in neue Abgründe der Verzweiflung.
    Und Luke wusste zu gut was mit ihm geschah. Er kannte die Methoden, durchschaute jeden Versuch, jeden Trick noch bevor er angewendet werden konnte. Besser als jeder andere, mit Sicherheit besser als seine unsichtbaren Leidensgenossen, die mit ihm ein Gebäude und ein Schicksal teilten. Deren vereinzelte Laute, ausgestoßen in Schrecken, Panik oder Schmerz, lieferten den Beweis, dass er sich nicht allein in diesem Vakuum befand.
    Er wusste, warum sie ihm die zeitliche Orientierung entzogen, hofften, dass er ohne Richtlinie, ohne Anhaltspunkt von außen früher oder später aufgeben, um Hilfe, Erlösung,
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