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Dinnerparty

Titel: Dinnerparty
Autoren: Anke Clausen
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Geld zu sparen, hatte sie in einem billigen Kasten nahe der Reeperbahn gehaust. Seit zwei Tagen war bekannt, dass sie sich in der Stadt aufhielt. Sie hatte sich mit Victor Rubens und seinen Leuten getroffen, um den endgültigen Vertrag zu unterschreiben. Es würde bald eine Pressekonferenz folgen. Sie brauchte eine luxuriöse Adresse. Schließlich war sie ein Hollywoodstar. Zumindest war das ihr offizielles Image. Um sich weiterhin glaubhaft verkaufen zu können, musste sie ihre letzten Reserven zusammenkratzen und einen Standard leben, den sie sich schon lange nicht mehr erlauben konnte. In ein paar Tagen würde sie sich eine möblierte Wohnung suchen und erklären, dass sie das Leben in Hotels zwar sehr genoss, es aber auf Dauer keine Alternative zu einem echten Heim mit persönlichen Sachen sei. Die Hotelrechnung würde sie einfach an die Produktionsfirma schicken. Vielleicht würde der alte Rubens sie als Spesen verbuchen. Sie musste ihn nur ein bisschen um den Finger wickeln. Laura ging an die Minibar und nahm sich die Eiswürfel heraus. Die verlockenden kleinen Fläschchen rührte sie nicht an. Es wäre ihr zu peinlich, wenn das Personal merken würde, wie viel sie trank. Im Kleiderschrank hatte sie ganz hinten drei Liter Wodka gebunkert, die sie heute Morgen in einem Supermarkt gekauft hatte. Sie hatte sich mit Kopftuch und Sonnenbrille getarnt, doch wahrscheinlich war das sogar überflüssig gewesen. Wer kannte sie denn noch? Ihr großer Erfolg in Deutschland lag sieben Jahre zurück. Laura nahm sich ein Wasserglas, füllte es mit dem billigen Wodka und warf zwei Eiswürfel hinein. Langsam trank sie das erste Glas, ohne einmal abzusetzen. Sie füllte es sofort wieder auf. Bevor sie trank, griff sie in ihre Tasche. Sie nahm den Brief und las ihn zum wiederholten Male. Sie fing an zu zittern. Wer hasste sie so sehr? Sie griff wieder in ihre Tasche. Das Röhrchen Valium. Nur ein oder zwei Pillen. Es würde sie beruhigen. Die Tabletten gingen runter wie Öl. Sie spülte mit Wodka nach. Als sie glaubte, wieder genug Kraft zu haben, ging sie ins Bad. Ihr Glas nahm sie mit. Sie musste sich abschminken und ihre teuren Cremes auftragen. Zumindest äußerlich musste sie einfach tipptopp in Form sein. Ihre innere Verfassung musste sie geheim halten. Als Schauspielerin durfte das für sie kein Problem darstellen. Alles hing davon ab, wie sie sich jetzt in Deutschland verkaufte. Wenn sie sich clever anstellte, würde sie ein grandioses Comeback feiern können. Sie trank noch einen Schluck und blickte in den Spiegel. Was sie sah, machte ihr Angst. Wie ein gehetztes Tier! Laura brach in Tränen aus. Genau so sah sie aus. Wie ein zu Tode gehetztes Tier.
     
    *
     
     
    Er checkte noch einmal sein Spiegelbild. Nicht einmal seine eigene Mutter hätte ihn in dieser Verkleidung erkannt. Er konzentrierte sich und schlüpfte in die Rolle, die er sich antrainiert hatte. Er zog die Schultern hoch und senkte den Kopf. Seine Mundwinkel wanderten nach unten. Er ließ den Blick hektisch zu den Seiten wandern. Perfekt. Er tastete nach der Flasche in seiner Manteltasche. Mit einem leicht schlurfenden Gang verließ er das Haus. Sein Ziel war nicht weit entfernt. Er hätte es schnell zu Fuß erreichen können, doch er wollte vermeiden, in St. Georg gesehen zu werden. Er lief die kurze Strecke zum Taxistand und stieg in den nächstbesten Wagen.
    »Reeperbahn. Ecke Königsstraße.«
    Sein Fahrer nickte nur. Er hatte Glück. Ein geschwätziger Taxifahrer, der ihn in ein Gespräch hatte verwickeln wollen, wäre furchtbar gewesen, auch wenn er sich selbst für diesen Fall vorbereitet und sich einen Text überlegt hatte. An seinem Zwischenziel bezahlte er den Fahrer und winkte ein weiteres Taxi heran, das ihn zurück nach St. Georg bringen würde.
    »Rostocker Straße!«, sagte er mit einer viel zu hohen leisen Stimme.
    Er hatte lange recherchiert. Sein Opfer war nur ein menschliches Versuchskaninchen. Er hatte beschlossen, irgendeinen Stricher zu töten, den sowieso niemand vermissen würde. Die Sache war schwieriger, als er im ersten Moment gedacht hatte. Die Stricher in den Bars um den Hansaplatz tranken so gut wie keinen Alkohol. Die Droge würde aber nur bei einem Betrunkenen tödlich wirken. Die Schwulen in den Pornokinos waren nur an Sex vor Ort interessiert. Er würde sie nicht in ein billiges Stundenhotel locken können. Zu seinem Glück gab es in der Rostocker Straße die Kneipen, in denen er fündig werden konnte. Niemand war dort auch
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