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Diese Sehnsucht in meinem Herzen

Diese Sehnsucht in meinem Herzen

Titel: Diese Sehnsucht in meinem Herzen
Autoren: Jen Safrey
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unserem Vater. Da war ich zwölf.“ Dann erzählte er Mike davon, wie alles immer nur noch schlimmer wurde. Wie Derek sich immer wieder gegen den Vater wehrte und sich schützend vor Nate stellte. Und sie sich an Dereks achtzehntem Geburtstag mitten in der Nacht aus dem Haus gestohlen hatten – um mit dem Bus nach Boston zu fahren.
    „Ich hatte damals immer wieder Albträume“, berichtete Nate weiter, „und ich hatte immer Angst davor, dass Dad uns nachkommen und zurückholen würde.
    Derek hat mich bei einer Schule angemeldet und die Lehrer davon überzeugt, dass er mein Erziehungsberechtigter sei. Von da an habe ich allen erzählt, dass mein Vater tot ist.“
    Nates Kehle war ganz trocken, und die Zunge tat ihm weh vom vielen Reden.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er ja gar nicht mit sich selbst sprach. Er sah vom Teppich auf, den er eine ganze Weile angestarrt hatte, und sein Blick begegnete dem des Jungen. In diesem Moment rückte Mike noch ein Stück näher zu Nate, so dass nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen lagen.
    „Du hast auch eine ganz harte Zeit hinter dir, das weiß ich“, sagte Nate schließlich. „Und obwohl es zunächst vielleicht nicht so aussieht, hast du großes Glück, weil du nicht erst weglaufen musst, so wie ich damals. Du hast Menschen, die dir helfen, und jetzt wird dir niemand mehr wehtun. Du warst übrigens sehr tapfer. Weißt du eigentlich, dass du der Erste bist, dem ich diese Geschichte von mir erzählt habe? Das liegt daran, dass ich nicht so tapfer bin wie du. Und jetzt wäre es gut, wenn du sogar noch ein bisschen tapferer sein kannst und mit jemandem über das sprichst, was dir passiert ist. Mit deinen Pflegeeltern zum Beispiel oder mit einem netten Arzt oder… vielleicht sogar mit Miss St. John. Es ist nämlich so: Wenn du darüber redest, verschwinden diese schlimmen Dinge zwar nicht, aber du fühlst dich dann selbst viel besser. Und dann kannst du auch wieder an die schönen Dinge denken, die du in Zukunft unternehmen wirst.“
    Diese Worte hatte Nate schon tausendmal gehört. Aber er hatte sie noch nie selbst ausgesprochen. Bis jetzt.
    Und gerade, als er sich überlegte, ob er selbst daran glauben sollte, legte Mike seine kleine warme Hand in seine.
    Da glaubte Nate plötzlich an seine eigenen Worte, mit aller Macht.
    Josey saß auf der anderen Seite der Zimmertür und presste ein Ohr dagegen. Sie weinte vor Dankbarkeit.

16. KAPITEL
    Josey wagte nicht, darüber nachzudenken, was jetzt weiter passieren würde oder könnte. Als sie mit Nate das Haus von Mikes Pflegeeltern verließ, ging sie einfach nur Seite an Seite mit Nate die Straße entlang und atmete die spätsommerliche Vorstadtluft ein.
    Einige Tage könnte Josey es vielleicht noch für sich behalten, dass sie ein Baby von ihm erwartete, danach würden sie die Schuldgefühle zu sehr bedrängen.
    Vorerst brauchte Nate jedoch ein wenig Ruhe – nach dem, was er Mike eben erzählt hatte.
    Als sie auf dem U-Bahnsteig standen, räusperte sich Nate. „Ich fahre jetzt noch nicht nach Hause“, sagte er.
    „Ach so.“ Josey versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Nate wirkte vollkommen entspannt, und er erwiderte ihren Blick offen und direkt. So hatte sie ihn lange nicht mehr erlebt. „Fährst du noch mal ins Büro?“
    „Nein, ich muss nur noch ein paar… andere Dinge erledigen. Jemanden besuchen.
    Dann komme ich wieder.“
    „Ach so“, sagte sie erneut und kam sich dabei etwas dumm vor. „Na ja, du kannst in den nächsten Tagen ja mal bei mir vorbeikommen, wenn du magst.“
    „Das werde ich sicher nicht tun.“
    „Nicht?“
    „Nein, eigentlich wollte ich nämlich gleich heute bei dir vorbeikommen – wenn ich fertig bin.“
    Josey blinzelte.
    „Aber nur, wenn du nichts anderes vorhast.“
    „Nein… das heißt, ich muss noch ein paar Arbeitsbögen korrigieren.“ Zum Teufel mit den Arbeitsbögen! „Aber das kann ich schnell erledigen, während du unterwegs bist.“
    Als der Zug einfuhr, stieg nur Josey ein, Nate wollte die nächste Bahn abwarten, um in Ruhe über das nachzudenken, was ihm jetzt bevorstand.
    Nun saß Josey in einem der Sitze und drückte ihre Stirn gegen die Fensterscheibe. Draußen auf dem Bahnsteig stand Nate und beobachtete sie. Ihr Atem beschlug die Fensterscheibe.
    Ein Ruck, und die Bahn fuhr los.
    Nates Lippen formten die Worte: „Warte auf mich!“
    Josey atmete tief durch und fragte sich, ob sie wohl stark genug dazu wäre.
    Das Gebäude, vor dem Nate nun stand, war
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