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Diebesgeflüster - Band 3

Diebesgeflüster - Band 3

Titel: Diebesgeflüster - Band 3
Autoren: Lea Giegerich , Tanja Rast , Flo P. Schmidt , Susanne Haberland
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Geräusch, ein Schaben, drang aus dem Inneren. Dann öffnete sich in der Schale ein schmaler Spalt. Immer wieder stieß der schlüpfende Drache mit dem Eizahn gegen die Schale, um den Spalt zu vergrößern.
    Aleena sah eine Weile zu, dann hatte sie begriffen, worauf es ankam, und half dem Drachen, indem sie den Spalt bei jedem Stoß vorsichtig ein Stückchen mehr auseinander zog. Der Kopf wurde sichtbar, nass und zerzaust. Die Augen waren noch geschlossen. Der Drache durchstieß die Schale vollends und taumelte vor Aleenas Füße. Sie fing ihn auf und hielt ihn ungeschickt fest.
    »Wie geht es weiter?«, fragte Aleena.
    Der Fenrismann näherte sich, nahm den Drachen und begann ihn mit rauer Zunge trocken zu lecken. Er war ganz mit weißem Flaum bedeckt, dem Kinderkleid der Eisdrachen. Der eisblaue Schuppenpanzer würde ihm erst in einigen Monaten wachsen.
    Der Drache gab ein zartes Fiepen von sich. Instinktiv erwiderte Aleena das Geräusch. Nun öffnete der Drache die Augen. Noch konnte er nichts scharf fokussieren, und sein schwerer Kopf fiel von einer Seite auf die andere, bis Aleena auf die Idee kam, ihn mit der Hand abzustützen.
    Rankin kam heran. »Was fressen frisch geschlüpfte Eisdrachen?«, fragte er. »Wie versorgt man sie? Bis dieses Tier Euch zu dem Hort führen kann, wird es wohl eine Weile dauern. Habt Ihr das bedacht?«
    Der Drache rollte sich in Aleenas Schoß ein und schloss die Augen.
    »Für den Moment braucht er wohl nichts«, stellte sie erleichtert fest.
    »Und dann?«, beharrte Rankin.
    »Wenn man den Legenden glauben darf, fressen ausgewachsene Eisdrachen wohl vor allem wehrlose Firnelben. Ich nehme allerdings an, sie sind Allesfresser – sonst könnten sie in dieser unwirtlichen Gegend kaum überleben. Wie wäre es also mit Trockenfleisch und Stockfisch?«
    Sie nahm einen kleinen Streifen Fleisch aus ihrem Rucksack und begann ihn weich zu kauen. Dann rollte sie Kügelchen daraus und schob sie dem Drachen unter die Nase. Der schnupperte halb im Schlaf, öffnete dann das Maul und leckte sie auf.
    Aleena sagte nichts, aber ihre Augen leuchteten vor Triumph.
    Der Eisdrache wurde schnell kräftiger, aber die Wartezeit zerrte an ihren Nerven.
    Der Fenrismann verschwand jeden Morgen gleich bei Tagesanbruch und trieb sich herum, bis Aleena ihm gegen Abend befahl, zurückzukehren. Dann tauchte er von irgendwo her auf, knurrend, mit glühenden, hasserfüllten Blicken, und legte sich so weit wie möglich von ihr entfernt wieder hin. Auch nach Rankin schnappte er bei jeder Gelegenheit, obwohl dieser ihn weiter hinzuhalten versuchte, und ihm erklärte, er sei dicht davor, den Halsreif lösen zu können.
    Rankin und Aleena umschlichen einander argwöhnisch. Keiner wollte den anderen mit dem Eisdrachen allein lassen, für den Fall, dass gerade in diesem Moment der Drache bereit sein könnte, sie in den Hort zu führen. Dennoch hielten sie es am gleichen Fleck kaum miteinander aus. Als auch die Vorräte zur Neige gingen, war die Stimmung bis zum Zerreißen angespannt.
    Nach einer Woche endlich war der Drache stark genug, um allein zu stehen. Er stolzierte wie ein Hahn im Schnee herum und versuchte, seine kurzen, glatten Flügel zu strecken.
    Aleena beobachtete ihn eine Weile, dann schob sie ihn behutsam auf die Schneewehe zu, in der sie vergebens den Eingang zum Hort gesucht hatten.
    »Solltest du nicht irgendwelche Instinkte haben?«, fragte sie. »Das hier ist dein Hort, also geh hinein!«
    Der Drache machte ein paar tapsige Schritte. Dann blies er seinen warmen Atem in den Schnee.
    Es gab ein Geräusch, als drehe jemand einen Schlüssel in einem Schloss. Gleich darauf öffnete sich unvermittelt ein Durchgang inmitten der Schneewehe. Der Drache strebte vorwärts.
    »Warte auf uns!«, rief Aleena. »Dürfen wir mit dir kommen?«
    Unschlüssig drehte sich der Drache um.
    Der Fenrismann war aufgetaucht und näherte sich ihm. Rankin und Aleena ließen ihn nicht aus den Augen. Eine Spannung lag in der Luft, die der Drache spürte, die er sich aber nicht erklären konnte. Schließlich gab er einen kleinen, weichen Laut von sich, den Laut, mit dem ein Drachenweibchen seine Kinder zu sich locken würde. Die Drei bewegten sich vorwärts.
    Der Drache tapste tiefer in den Berg hinein. Er kannte diesen Pfad, obwohl er ihn noch nie gegangen war. Zielsicher folgte er dem Weg bis tief hinunter, bis zu der Höhle, die sich dort eröffnete, und in der alles blank und hell war. Er freute sich an dem Glitzern und Funkeln.
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