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Die Zwölf Türme (German Edition)

Die Zwölf Türme (German Edition)

Titel: Die Zwölf Türme (German Edition)
Autoren: Karl-Heinz R. Friedhoff
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Schritt abgehalten. So blieb er also am Leben, doch von da an hatte er sich immer mehr in einen anderen Menschen verwandelt, in einen verbitterten Zyniker. Er sollte nie wieder so werden, wie er vor dem Tod seiner Frau gewesen war, denn von diesem Schock hatte er sich nie mehr erholt. Vielleicht wollte er sich auch gar nicht davon erholen, zumindest wollte er es nie mehr vergessen.
    Damals hatte er sich geschworen, sich nie wieder so stark und emotionell an einen Menschen zu binden. Lieber wollte er zukünftig allein bleiben als Angst davor haben zu müssen, noch einmal einen geliebten Menschen zu verlieren. Er kapselte sich immer mehr von anderen ab und  redete sich selbst ein, niemanden zu brauchen, bis er es schließlich selbst glaubte.
    Es dauerte lange, bis er wieder kontaktbereiter wurde, doch seine selbsterzeugten Hemmungen und seine misstrauische Zurückhaltung konnte er nicht mehr überwinden. Er hatte sich in seinem eigenen Gefängnis eingesperrt und war längst nicht mehr fähig, sich daraus zu befreien.
    Schließlich stürzte er sich in seine Arbeit, besuchte Lehrgänge, Schulungen und Weiterbildungskurse, wobei er auch ziemlich erfolgreich war. In seiner Umgebung hielt man ihn für fleißig und ehrgeizig, doch er selbst wusste nur zu gut, dass das nur eine Art Flucht war, ein Ablenkungsmanöver, um mit seiner inneren Leere und Einsamkeit fertigzuwerden. Ihm war klar, dass er unweigerlich zugrunde gehen musste, wenn ihm diese Flucht einmal nicht mehr gelingen sollte.
    Bald schon war es so weit mit ihm gekommen, dass er vor engeren Beziehungen regelrecht zurückschreckte, ja, fast schon feindselig reagierte, wenn er das Gefühl hatte, dass mehr als nur reine Symphatie im Spiel war. Vor anderen und vor sich selbst verleugnete er das Bedürfnis nach einer zwischenmenschlichen Beziehung, obwohl er sich tief in seinem Inneren danach sehnte. Und damit blockierte er sich selbst, machte es sich unmöglich, aus sich herauszugehen und Gefühle offen zu zeigen.
    Jahrelang lebte er nun schon so und er sah für sich längst keine Chance mehr, aus diesem selbst geschaffenen Teufelskreis auszubrechen. Und er war auch zu stolz und zu misstrauisch, um jemandem von seinen Problemen zu erzählen oder gar um Hilfe zu bitten. Vielleicht lag es auch daran, dass er verlernt hatte, anderen zu vertrauen, aus Angst, sich ihnen damit auszuliefern und dadurch verwundbarer zu sein.
    Doch gestern war etwas geschehen, was ihm endgültig den Rest gegeben hatte.
    Sein Arzt hatte ihm schonungslos erklärt, dass er an Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium leide und nur noch eine geringe Lebenserwartung habe.
    Wie würde sein Ende jedoch aussehen? Sollte er langsam dahinsiechen, ohne dass jemand da war, der ihm beistehen würde? Sollte er schließlich in irgendeinem sterilen Krankenzimmer sein Leben aushauchen, allein und anonym?
    NEIN!
So weit wollte er es nicht kommen lassen! Besser ein schneller Tod als elendes, langsames Krepieren!
    Sein Entschluss stand fest und diesmal würde kein guter Freund da sein, der ihn hindern konnte, mit seinem ohnehin sinnlosen Leben endgültig Schluss zu machen.
    Am nächsten Morgen hatte er die in seinem Besitz befindliche Pistole, eine alte Luger-Automatic, aus dem Schrank genommen, mit einem vollen Magazin geladen und in seine Jackentasche gesteckt. Dann war er wie jeden Morgen aus dem Hause gegangen, ruhig und ohne jede Hast, so als wolle er wie immer zur Arbeit gehen. Irgendwie hatte er sich entspannt und gelöst wie lange nicht mehr gefühlt. Er ließ seinen Wagen in der Tiefgarage stehen und ging zu Fuß, bis er an eine Bushaltestelle kam. Eigentlich hatte er vorgehabt, mit dem Bus zum Chester-Park zu fahren, um sich dort hinter irgendeinem Gebüsch eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass es am sichersten sei, wenn man sich den Pistolenlauf in den Mund steckte und dann schoss, weil dann Stamm- und Kleinhirn sofort zerstört würden und man selbst nichts mehr davon spürte. Ob das wirklich stimmte, wusste er nicht, aber das konnte er ja nun bald feststellen.
    Während er auf den Bus gewartet hatte, war ihm auf der anderen Straßenseite eine kleine, unscheinbare Gemäldegalerie aufgefallen, die er sonst nie bemerkt hatte, wenn er hier vorbeigefahren war. Irgendetwas hatte ihn dort hingezogen und er war nicht imstande gewesen, sich gegen diesen unerklärlichen Drang zu sträuben, der ihn veranlasst hatte, dort hineinzugehen. Und nun stand er hier, ausgerechnet
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