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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit
Autoren: Vampira VA
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würde er hinaustragen und über die Menschen bringen, die seinen Weg kreuzten.
    Wenn er es nur soweit kommen ließ .
    Aber das hatte der Arapaho nicht vor. Sein Lebensweg sollte enden, ehe er zum Leidensweg anderer wurde.
    Nicht hier jedoch, sondern an einem Ort, der seines Todes würdig war. Wo alles begonnen hatte, sollte es auch enden.
    Hidden Moon nahm Liliths Leichnam auf beide Arme und verließ das Motel, lief mit seiner toten Last durch die Straßen New Jerichos, wo die Männer, die ihm begegneten, ehrfürchtig ihre Hüte abnahmen und die Frauen betroffen den Blick senkten.
    Im Angesicht des nahenden Todes eines ihrer Herren.
    *
    Sydney, Australien?
    Enttäuscht schloß Lilith die Augen, kaum daß sie sie geöffnet hatte.
    Sie wußte, spürte, daß sie ganz nahe dran gewesen war. Daß die Lösung oder womöglich sogar das Ende dieses Wahnsinns fast vor ihr gelegen hatte, als sie urplötzlich aufgewacht war.
    Oder etwas, jemand sie geweckt hatte .
    Wie im Traum (war es wirklich ein Traum gewesen - von Anfang an?) war Marsha verschwunden, als Lilith nun abermals die Augen aufschlug. Ihr Zimmer war leer; Morgenlicht fiel golden durchs Fenster; sie vernahm leises Vogelgezwitscher ...
    Alles hätte in bester Ordnung sein können. Aber das war es nicht. Würde es vielleicht nie mehr sein.
    Doch Lilith hatte das sichere Gefühl, daß sie etwas tun konnte, um alles zu ändern - um die Dinge wieder in die richtige Spur zu bringen. Ob sie dadurch auch besser würden, stand auf einem anderen Blatt. Es war nicht wirklich wichtig. Die Hauptsache war, daß Normalität einkehrte - oder vielmehr sie selbst in die Normalität zurückkehrte.
    Lilith stand auf, erfüllt von Zuversicht und Entschlossenheit.
    Beides hielt ein paar Sekunden lang. So lange, wie sie brauchte, um das Schlafzimmer ihrer Eltern zu erreichen. Sie wußte selbst nicht, weshalb sie die Tür überhaupt öffnete. Es war, als leite etwas Fremdes ihre Hand - etwas, das sie zutiefst entsetzen wollte, um all ihren Widerstand im Sturm zu brechen.
    Aufschreiend fiel Lilith unter der offenen Tür in die Knie.
    Dann kroch sie auf das breite Doppelbett zu. Hin zu ihren toten Eltern, deren Körper binnen eines Traumes in Verwesung übergegangen waren.
    Mühsam zog sie sich an der Bettumrandung hoch - und schrak abermals zusammen.
    Denn das Bett war leer.
    Die Bettwäsche alt und grau, staubbedeckt und mottenzerfressen. Wie auch das Schlafzimmer um sie herum mit einemmal den Eindruck machte, als wäre es Teil eines Hauses, das seit Jahren oder gar Jahrzehnten keines Menschen Fuß mehr betreten hatte.
    Lilith taumelte zurück zur Tür und stürzte hinaus auf den Korri-dor.
    Der Boden gab unter ihren Füßen nach! Als wolle das Haus sie verschlingen!
    So schien es ihr zumindest. Tatsächlich war nur eines der Dielenbretter zerbrochen. Stöhnend befreite Lilith ihren verletzten Knöchel aus dem schartigen Loch. Ein Holzsplitter hatte sich tief in ihr Fleisch gebohrt. Mit spitzen Fingern zog sie ihn heraus - und beobachtete erstaunt, wie das dunkle Blut verschwand und die Wunde sich schloß.
    »Nein«, entfuhr es ihr wimmernd, »ich bin kein . Ich will keiner von ihnen sein!«
    Sie wollte losrennen, aber sie besann sich, ging vorsichtig weiter. Denn auch hier draußen hatte der Zahn der Zeit innerhalb kürzester Zeit Wirkungen gezeigt, für die es normalerweise Jahrzehnte und länger bedurft hätte. Lilith hielt sich dicht an der Wand, als sie zur Treppe ging, und auf ihrem Weg hinunter trat sie nur auf die äußeren Kanten der Stufen. Dennoch ächzte und bebte die Konstruktion unter ihrem Leichtgewicht.
    In der Halle lag der Staub fingerdick über allem. Die Möbel erweckten den Eindruck kantiger Gespenster. Wo Teppiche den Boden bedeckt hatten, quollen unter Liliths Schritten regelrechte Wolken auf.
    Die Tür zum Keller lag unterhalb der Treppe. Mit heftig pochendem Herzen blieb Lilith davor stehen.
    Dann zog sie sie auf. Trat hindurch, bereit, einen Fuß vor den anderen zu setzen, um die Stufen hinabzulaufen. Sie stolperte. Weil sie nicht auf eine Treppe trat, sondern auf ebenen Boden.
    Als sie sich aufrappelte, stellte sie fest, daß sie sich wieder in ihrem Zimmer befand. Doch der Schrecken darüber wurde von einem anderen noch überboten: Das Zimmer war nicht mehr leer wie zuvor.
    Sie wurde erwartet. Von zwei Männern.
    Lilith kannte sie beide. Aus einem Leben, von dem sie nicht längst mehr sicher war, daß es nicht ihr eigenes war.
    * Duncan erwachte im Angesicht
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