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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Levy
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Erde, Blumen und Staub sowie von frischem Wasser wahr, das über das verwitterte Gestein der Brunnen fließt. Er hörte den Kinderlärm in den schattigen Höfen, die Sirenen der Dampfschiffe, das Knirschen der Straßenbahnen in der Istiklal-Straße.
    Daldry seufzte, während er seine Wohnungstür öffnete. »Es ist Ihnen gelungen, Sie haben Ihre Wette gewonnen, meine Liebe.« Er machte Licht und zuckte zusammen, als er seine Etagennachbarin in seinem Sessel mitten im Wohnzimmer sitzen sah.
    »Was machen Sie da?«, fragte er und stellte seinen Regenschirm ab.
    »Und Sie?«
    »Also bitte«, sagte Daldry mit schwacher Stimme, »so merkwürdig Ihnen das auch erscheinen mag, ich bin hier zu Hause.«
    »Sie sind nicht im Urlaub?«
    »Ich habe nicht wirklich eine Anstellung, also mit Urlaub ist das so eine Sache, wissen Sie …«
    »Ich sage das nicht, um Ihnen ein Kompliment zu machen, aber diese Ansicht ist sehr viel schöner als das, was ich von meinem Zimmer aus sehe«, sagte Alice und deutete auf das große Gemälde auf der Staffelei am Fenster.
    »Es ist trotzdem ein Kompliment, vor allem von jemandem, der in Istanbul lebt. Entschuldigen Sie die völlig nebensächliche Frage, aber wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Mit dem Schlüssel, der in der Tasche Ihres Regenmantels war.«
    »Sie haben ihn gefunden? Wie schön. Ich liebe diesen Regenmantel sehr und suche ihn seit zwei Tagen überall.«
    »Er hing an meiner Garderobe.«
    »Das erklärt alles.«
    Alice erhob sich und ging auf Daldry zu. »Ich möchte Sie etwas fragen, aber Sie müssen mir versprechen, dieses eine Mal ehrlich darauf zu antworten!«
    »Was soll denn das heißen, ›dieses eine Mal‹?«
    »Sollten Sie nicht in charmanter Begleitung auf Reisen sein?«
    »Meine Pläne haben sich geändert«, brummte Daldry.
    »Heißt Ihre Begleitung zufälligerweise Carol?«
    »Aber nein, ich habe Ihre Freundin nur zweimal getroffen und das immer bei Ihnen. Einmal, als ich wie ein Wilder bei Ihnen hereingeplatzt bin, und das andere Mal, als Sie Fieber hatten. Und ein drittes Mal im Pub an der Ecke, aber da hat sie mich nicht einmal wiedererkannt, also zählt das nicht.«
    »Ich dachte, Sie wären zusammen ins Kino gegangen?«, fragte Alice und kam noch einen Schritt näher.
    »Ja gut, es kam vor, dass ich gelogen habe, aber nur, wenn es nötig war.«
    »Es war also nötig, mir zu sagen, dass Ihnen meine beste Freundin sympathisch ist.«
    »Ich hatte meine Gründe!«
    »Und dieses Piano an der Wand? Ich dachte, die Nachbarin unter uns spielt Klavier?«
    »Das? Dieses alte Ding, das ich in einer Offiziersmesse abgeholt habe? Das nenne ich kein Klavier … Also gut, wie lautet Ihre Frage? Und ja, ich werde die Wahrheit sagen.«
    »Waren Sie am Abend des dreiundzwanzigsten Dezember letzten Jahres auf der Mole in Brighton?«
    »Warum fragen Sie das?«
    »Weil in der anderen Tasche Ihres Regenmantels das hier steckte«, sagte Alice und hielt ihm das Ticket hin.
    »Ihre Frage ist nicht sehr fair, weil Sie die Antwort bereits kennen«, antwortete Daldry und senkte den Blick.
    »Seit wann?«
    Daldry holte tief Luft.
    »Seit dem ersten Tag, als Sie dieses Haus betreten haben, seit dem ersten Mal, als ich Sie die Treppe heraufkommen sah, und die Sache wurde immer schlimmer.«
    »Wenn Sie Gefühle für mich hatten, warum haben Sie dann alles darangesetzt, mich zu entfernen? Diese Reise nach Istanbul haben Sie doch sicher geplant, um Abstand von mir zu gewinnen, nicht wahr?«
    »Hätte diese Hellseherin anstatt der Türkei den Mond genannt, wäre mir das noch lieber gewesen. Sie fragen mich, warum? Sie können sich nicht vorstellen, was es für einen Mann, der meine Erziehung genossen hat, bedeutet, sich darüber klar zu werden, dass er im Begriff ist, vor Liebe wahnsinnig zu werden. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie vor jemandem solche Angst gehabt wie vor Ihnen. Die Vorstellung, Sie so sehr zu lieben, ließ mich mehr denn je befürchten, meinem Vater ähnlich zu werden. Und für nichts auf der Welt hätte ich der Frau, die ich liebe, so etwas antun mögen. Und jetzt wäre ich Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn Sie auf der Stelle vergessen würden, was ich Ihnen soeben gesagt habe.«
    Alice ging einen weiteren Schritt auf Daldry zu, legte ihm einen Finger auf die Lippen und flüsterte ihm ins Ohr: »Schweigen Sie, Daldry, und küssen Sie mich.«
    In den ersten Morgenstunden wurden Daldry und Alice von dem Licht geweckt, das durch das Glasdach hereindrang.
    Alice
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