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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Levy
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fertiggestellt. Ich wollte es Ihnen schicken, aber das ist albern, denn es reicht ab jetzt aus, dass Sie Ihr Fenster öffnen, um – viel schöner natürlich – zu sehen, was ich in den langen Monaten Ihrer Abwesenheit gemalt habe.
    Alice schloss die Tür ihres Zimmers hinter sich. Einen großen Koffer in der einen, einen kleinen in der anderen Hand, lief sie die Straße entlang. Als sie das Restaurant betrat, erwarteten sie dort Mama Can, ihr Ehemann und der beste Führer von Istanbul. Mama Can erhob sich, ergriff ihre Hand und führte sie zu einem Tisch, der für fünf Personen gedeckt war.
    »Heute bist du der Ehrengast«, sagte sie. »Ich habe für die Zeit deiner Abwesenheit eine Aushilfe genommen – aber nur für die Zeit deiner Abwesenheit! Setz dich, du musst vor der langen Reise essen. Kommt dein Bruder nicht?«
    »Sein Schiff legt heute Vormittag an, und ich hoffe, dass er es rechtzeitig schafft. Er hat versprochen, mich zum Flughafen zu bringen.«
    »Aber das mache ich doch!«, protestierte Can.
    »Er hat jetzt ein Auto, da kannst du nicht ablehnen, er wäre furchtbar verärgert«, warf Mama Can ein und sah ihren Neffen an.
    »Fast neu! Es hatte vor mir nur zwei Besitzer, und einer davon war ein sehr pingeliger Amerikaner. Seit ich nicht mehr für Sie arbeite, habe ich auf Mister Daldrys Überweisungen verzichtet und bin von mehreren Herrschaften engagiert worden, die mich fürstlich bezahlen. Der beste Führer von Istanbul war es sich schuldig, seine Kunden – in der Stadt und außerhalb – überall hinfahren zu können. Letzte Woche habe ich ein Paar zur Besichtigung der Festung von Rumeli Feneri ans Schwarze Meer gebracht, und die Fahrt hat nur zwei Stunden gedauert.«
    Alice ließ das Fenster nicht aus den Augen, um zu sehen, ob Rafael käme, doch das Essen ging seinem Ende zu, und er war noch immer nicht da.
    »Weißt du«, sagte Mama Can, »das Meer bestimmt, und wenn der Fang sehr gut oder sehr schlecht ist, kommen sie vielleicht erst übermorgen wieder.«
    »Ich weiß.« Alice seufzte. »Aber ich bin ja ohnehin bald zurück.«
    »Wir müssen los, sonst verpassen Sie das Flugzeug«, sagte Can.
    Mama Can umarmte Alice und begleitete sie zu Cans schönem Wagen. Ihr Mann legte Alices Gepäck in den Kofferraum. Can öffnete ihr die Beifahrertür.
    »Lassen Sie mich fahren?«, fragte sie.
    »Soll das ein Scherz sein?«
    »Ich habe Autofahren gelernt …«
    »Aber nicht mit diesem«, sagte Can und schob Alice in den Wagen.
    Er drehte den Zündschlüssel um und vernahm stolz, wie der Motor ansprang.
    Plötzlich hörte Alice jemanden »Anouche« rufen, sie stieg aus und sah ihren Bruder herbeilaufen.
    »Ich weiß«, sagte er beinahe atemlos und nahm auf der Rückbank Platz, »ich bin viel zu spät, aber das ist nicht meine Schuld, eines der Netze hatte sich verfangen. Ich bin so schnell ich konnte vom Hafen hierhergekommen.«
    Can gab Gas und fuhr durch die schmalen Straßen von Üsküdar.
    Eine Stunde später erreichten sie den Flughafen Atatürk. Vor dem Abflugterminal wünschte Can Alice eine gute Reise und ließ sie in Gesellschaft ihres Bruders.
    Alice ging zum Schalter der Fluggesellschaft und gab ein Gepäckstück auf, das andere behielt sie in der Hand. Die Angestellte erklärte ihr, sie müsse sich sofort zur Passkontrolle begeben. Sie sei die letzte Passagierin, und man würde nur auf sie warten.
    »Während ich auf See war«, erklärte Rafael, der sie begleitete, »habe ich viel über die Sache mit der Hellseherin‘nachgedacht. Ich weiß nicht, ob sie die Schwester von Yaya ist, aber wenn du Zeit hast, solltest du noch einmal zu ihr gehen, denn in einem Punkt hat sie sich getäuscht.«
    »Und zwar?«, fragte Alice.
    »Diese Wahrsagerin hat dir doch prophezeit, dass der Mann, der am meisten in deinem Leben zählen würde, an diesem Abend hinter dir vorbeigegangen sei, oder?«, fragte Rafael.
    »Ja, stimmt«, antwortete Alice und drückte ihr Köfferchen an sich.
    »Du musst jetzt durch den Zoll gehen. Was hast du denn in diesem Köfferchen, das du so sorgsam bei dir behältst?«
    »Eine Trompete.«
    »Eine Trompete?«
    »Ja, eine Trompete, und vielleicht auch die Antwort auf die Frage, die du mir gerade gestellt hast«, sagte sie und lächelte. Dann umarmte sie ihren Bruder und flüsterte ihm zu: »Sei mir nicht böse, wenn es etwas später wird, aber ich verspreche dir, dass ich zurückkomme.«

Kapitel 16
    London, Dienstag, 31. Oktober 1951
    Das Taxi hielt vor dem viktorianischen Haus.
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