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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Autoren: Theo Zwanziger
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Gespräch gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt habe ich von dieser Entwicklung nichts geahnt, geschweige denn von der Rolle, die man mir offenbar zugedacht hatte.
    Doch die Lunte war gelegt, und die Bombe ging hoch durch die sportliche Pleite bei der EM . Wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn unsere Mannschaft in Portugal den Titel geholt hätte. Doch das peinliche Aus gegen die Tschechen, die schon fürs Viertelfinale qualifiziert waren und deshalb ihre besten Spieler schonten, trotzdem aber mühelos 2:1 gewannen, löste die Kettenreaktion aus.
    Noch in derselben Nacht erklärte Teamchef Rudi Völler, der dem DFB mit seiner eher unfreiwilligen Amtsübernahme vier Jahre zuvor aus einer schlimmen Patsche geholfen hatte, gegenüber Mayer-Vorfelder und Horst R. Schmidt seinen Rücktritt. Der Generalsekretär weckte mich noch in der Nacht und informierte mich über diese Entmachtung. Da ich bei dem Gespräch nicht dabei war, kann ich nicht beurteilen, ob es vielleicht doch möglich gewesen wäre, ihn zum Bleiben zu überreden.
    Die bittere Realität war: Am Morgen nach dem EM -Aus stand der DFB ohne Bundestrainer da. Damit die Delegationsmitglieder, die am nächsten Tag nach Hause reisten, nicht zuerst durch die Medien vom Rücktritt erfuhren, rief ich frühmorgens am Flughafen an und informierte sie über die Geschehnisse der vergangenen Nacht.
    Zum sportlichen Misserfolg und dem nicht gerade harmonischen Verhältnis zwischen der DFB -Spitze und den Landesverbänden kam nun auch noch die Suche nach einem neuen Bundestrainer, in deren Verlauf Gerhard Mayer-Vorfelder wahrlich kein glückliches Händchen bewies. Vielleicht hat er die Situation unterschätzt, sonst wäre er nach dem Ausscheiden unserer Mannschaft nicht in Portugal geblieben, um von dort aus einen neuen Bundestrainer zu suchen – ohne die Führungsfiguren des DFB daheim einzubinden. Eine fatale Fehleinschätzung, denn viele kleine Stürme hatten das Meer aufgewühlt. Ich glaube bis heute, dass die »Doppelspitze« nicht gekommen wäre, wenn MV sofort in Deutschland die Zügel in die Hand genommen hätte.
    So war es ein gefundenes Fressen gerade für die Medien, die die Krise ebenso befeuerten wie die zahlreichen Absagen potenzieller Trainerkandidaten von Otto Rehhagel bis Ottmar Hitzfeld.
    Eine Führungskrise, gepaart mit der für quälend lange Zeit ergebnislosen Suche nach einem Bundestrainer – das ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Verband wie dem DFB widerfahren kann. Die Vertreter der Landesverbände bedrängten mich, im Herbst gegen Gerhard Mayer-Vorfelder anzutreten. Nach langem Überlegen willigte ich schließlich ein.
    Mein Interesse war aber nicht, MV zu stürzen. Schließlich hatte ich nicht vergessen, dass wir in den Jahren zuvor gut zusammengearbeitet hatten. Auch deshalb war ich in den Gesprächen, die direkt nach Bekanntgabe meiner Kandidatur begannen, stets offen für Kompromisse. Dennoch musste ich MV gegenüber Stärke zeigen, immerhin war er sturmerprobt durch viele aktive Jahre in der Politik. Und er dachte nicht daran, seine Macht als DFB -Präsident mit mir zu teilen.
    So schien alles auf eine Kampfabstimmung beim Bundestag hinauszulaufen. Wir alle wussten, dass uns ein solches Duell kaum zwei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land eine schlechte Presse eingebracht hätte. Zumal MV die internationalen Verbände, in denen er sich ein gutes Standing erarbeitet hatte, auf seiner Seite wusste. Fifa und Uefa beobachteten die Vorgänge in Deutschland argwöhnisch. Wir mussten also alles versuchen, um den Schaden für den DFB und den deutschen Fußball so klein wie möglich zu halten.
    Werner Hackmanns Idee mit der Doppelspitze erwies sich tatsächlich als Königsweg aus dieser Krise. Der DFL -Präsident wusste, dass seine Kritik am Amtsinhaber nicht überall in der Liga geteilt wurde. Mayer-Vorfelder hatte viele Freunde bei den Lizenzvereinen. Vor allem die großen Vereine wollten verhindern, dass »ihr« Präsident von dem Favoriten der Amateure abgelöst würde, der in ihren Augen wohl auch nicht mehr sein konnte als ein Amateur – wobei dies für mich eine Ehrenbezeichnung ist. Denn der Amateur liebt seine Arbeit … Ich habe in den großen Klubs schon so manchen professionellen Heilsbringer erlebt, der nach kurzer Zeit mit viel Geld in der Tasche wieder verschwunden ist.
    Mir leuchtete Hackmanns Gedankengang jedenfalls ein. Zumal ich mir in den Tagen vor der Frankfurter Sitzung selbst den Kopf darüber zerbrochen
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