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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
Autoren: Kelly McCullough
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gut wie die beiden Krummschwerter aus dem Tempel, die sie ersetzen mussten. Ich kontrollierte ihren Sitz in der doppelten Rückenscheide, die ich mir als Ersatz für die Scheide aus Tempelbeständen angefertigt hatte, bei der die Waffen auf Schulterhöhe gezogen wurden, wohingegen die Ersatzscheide mir gestattete, sie auf Hüfthöhe zu ziehen. Dann legte ich alles auf meine Pritsche.
    Als Nächstes kam die Arbeitskleidung, die ich im Vorübergehen anlegte. Zuerst das Hemd, dann eine Hose, oben recht weit geschnitten, die ich in die weichen, kniehohen Stiefel steckte, alles in unauffälligen Grautönen gehalten – Sachen, wie sie ein gewöhnlicher Zhanibauer tragen mochte. Durch bloßes Pressen der Orispflanze erhielt man eine billige, einfach anzuwendende Farbe, immer vorausgesetzt, man wollte sie nicht so stark konzentrieren, dass sie ein echtes Schwarz hervorbrachte.
    Nun kam ein schwerer Gürtel mit einem kurzen, schlichten Dolch an die Reihe, gefolgt von meinem breiten, flachen Trickbeutel. Dann der Schwertgurt mit all seinen Riemen und den geschwärzten Stahlringen zum Anbringen weiterer Gegenstände – die vorerst allerdings leer bleiben mussten. Zum Schluss zog ich noch einen dunkelgrünen, fleckigen Poncho hervor. Er roch nach alter Wolle und Flohkraut und war lang genug, die Hefte meiner Schwerter zu verdecken. Das Ganze krönte ich mit einem Wanderhut, um das Bild komplett zu machen.
    Von der dem Fenster gegenüberliegenden Wand aus sah mir Triss schweigend zu, zufrieden damit, an dem Ort zu hocken, an den die westwärts sinkende Sonne ihn geworfen hatte, wenner auch seine Drachenform beibehalten hatte. Als ich angezogen war, blieb mir nur noch eines zu tun, ehe wir aufbrechen konnten – den Brief lesen. Ich traute Maylien nicht, und selbst wenn ich es getan hätte, hätte ich mich nicht unwissender als unbedingt nötig auf die vor mir liegende Aufgabe gestürzt. Ich legte das zusammengefaltete Pergament auf den kleinen Tisch und zog einen sechs Zoll langen Streifen biegsamen Kupfers aus meinem Trickbeutel.
    »Triss, könntest du mir behilflich sein?«
    Der kleine Drache glitt an der Wand herab und über meinen Schatten zu meinen Füßen, wo er sich sammelte, ehe er an meinem Körper emporwanderte und sich fest an meine Haut presste. Für diese Art der Arbeit brauchte ich enorm viel Kontrolle, also unterwarf Triss seinen Willen meinem eigenen und versetzte seinen Geist in eine Art Wachtraumzustand, in dem er unser gemeinsames Vorgehen verfolgen, aber nicht steuern konnte. Sein physisches Ich – sofern man einem Schatten dergleichen attestieren wollte – folgte nun meinem Befehl, eine notwendige Bedingung für den größten Teil der höheren Magie, die von einem einzelnen Willen dirigiert werden musste.
    Magier und Vertrauter sind wie Schwertkämpfer und Schwert. Der Schwertkämpfer holt aus, aber das Schwert tut den tödlichen Schlag. Das Rohmaterial der Magie, das Nima, liefert der Magier, Macht, hervorgebracht durch den Brunnen seiner Seele, doch ohne einen Vertrauten, der eine Möglichkeit bietet, diese Macht zu konzentrieren und ihrem Ziel zuzuführen, passiert schlicht gar nichts.
    Ich schickte den Teil von mir, der temporär ein Objekt animierter Finsternis war, hinaus, umschloss das dünne Metallwerkzeug mit Schatten und lud es mit Magie auf. Unter meiner magischen Wahrnehmung fing das Kupfer an, hellblau zu glühen. Dann führte ich es unter den Rand des Siegels an dem Brief. Mit Triss’ Sinnen konnte ich Farbe und Bienen und Terpentinin dem Wachs des Siegels schmecken, aber keine verborgene Magie, was die Dinge erheblich vereinfachte. Mit einem kleinen Energieblitz trennte ich das Siegel vom Pergament, ohne dabei eines von beiden zu beschädigen.
    Bedauerlicherweise hatte Maylien, oder wer immer die Botschaft gefertigt hatte, die Möglichkeit des Siegelhebens einkalkuliert – immerhin eine der einfachsten Anwendungen grauer Magie. Die Seiten sahen so leer aus, als kämen sie direkt vom Schreibwarenhändler. Damit wurde es erheblich schwieriger, die Nachricht aufzudecken. Es gab locker ein Dutzend magischer Möglichkeiten, Schriften zu verschleiern, angefangen mit einem einfachen Tarnzauber bis hin zu einem auf Zerstörung abzielenden Seelenschlüssel, doch die meisten hätten auf dem Papier ein sichtbares magisches Leuchten zurücklassen müssen. Der falsche Zauber konnte das, was ich sehen wollte, ebenso leicht fortwischen wie offenbaren, und ich wusste nicht genug über die hier
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