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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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nachdem er als 15-Jähriger bereits einige Monate wegen Erpressung in Haft einsaß. In seinem Kopf ist nur ein Gedanke: «Lieber Untergrund als Knast.»
    Er geht zu seinem Auto, steigt ein, drückt das Gaspedal durch – und rast davon.
    Die Polizisten gucken ihm hinterher, wie er aus der Garagenanlage an der Kläranlage herausfährt und das Gelände verlässt. Uwe Böhnhardt ist weg.
    Es ist 8:55 Uhr am 26. Januar 1998.
    Nachdem ein Feuerwehrmann das Vorhängeschloss mit einem Bolzenschneider geknackt hat, öffnet sich das Tor von Garage 5. Als Erstes sehen die Fahnder ein Bild. Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß schaut sie aus einem Bilderrahmen an.
    Was die Beamten dann entdecken, übertrifft all ihre Erwartungen: An einer Werkbank ist ein Schraubstock montiert, in dem ein Rohrstück festgeklemmt ist. Das Rohr ist am unteren Ende zugequetscht, oben gucken zwei Drähte heraus – genauso sah auch der Inhalt des Bombenkoffers aus, der vor einigen Wochen auf dem Jenaer Theaterplatz gefunden wurde.
    In der Garage liegen 1,4 Kilogramm TNT-Sprengstoff, insgesamt vier Rohrbomben und eine Menge Nazipropaganda-Material.
    Da es sich offensichtlich um gefährliche Sprengsätze handelt, müssen die Polizisten Spezialkräfte vom Dezernat 33 «Technische Unterstützung» des Landeskriminalamts aus Erfurt anfordern. Das Tor wird erst mal wieder verriegelt.
    Gegen 9:30 Uhr sind sich die Polizisten sicher, dass sie TNT und die Bombenwerkstatt gefunden haben. Die Fahndung soll aber erst um 14 Uhr beginnen. Bis dahin vergehen viereinhalb Stunden.
    Viereinhalb lange Stunden für Uwe Böhnhardt und seine Komplizen – um zu fliehen.

    Uwe Böhnhardt fährt mit seinem roten Hyundai als Erstes zurück nach Hause in die Richard-Zimmermann-Straße im Stadtteil Lobeda, hier will er ein paar persönliche Sachen packen. Der sonst so impulsive Böhnhardt muss jetzt konzentriert und ruhig reagieren. Er öffnet die Wohnungstür, geht zum Telefon der Eltern und wählt die Nummer seiner 23-jährigen Freundin Beate Zschäpe.
    Es geht los. Sie weiß, was dieser Anruf bedeutet.
    In den vergangenen Wochen hatte sie öfter mit ihrem Freund Uwe Böhnhardt darüber gesprochen, wie sie reagieren werden, wenn die Polizei vor seiner Tür steht. Böhnhardt hatte für das richtige Verhalten in diesem Moment vor einigen Wochen sogar extra noch eine Rechtsberatung aufgesucht. Jetzt ist dieser Moment gekommen. Nach einem kurzen Gespräch legt Zschäpe auf und ruft den 24-jährigen Uwe Mundlos in Ilmenau an.

    Überstürzt verlässt Mundlos sein Wohnheimzimmer, in dem er unter der Woche in Ilmenau lebt. Er lässt alles stehen und liegen, Papiere flattern auf den Boden, sein Bett bleibt so zerwühlt zurück, als ob der akkurate Abituranwärter gerade erst aus der Decke gesprungen wäre.
    Uwe Mundlos setzt sich in seinen alten Ford und fährt aus Ilmenau weg.

    Nachdem Beate Zschäpe Uwe Mundlos gewarnt hat, macht sie sich auf den Weg zu ihrer Oma. Sie hat nur wenig Zeit. Wie lange werden die Ermittler brauchen, um sie zu verhaften? Zschäpe benötigt dringend Geld für die Flucht. Sie erzählt ihrer Großmutter, dass sie verfolgt werde und erst einmal untertauchen müsse. Am Ende des Gesprächs steckt ihr die Oma ein paar Scheine zu.

    Uwe Mundlos verlangt seinem gebrauchten Ford mit dem Kennzeichen J-AH 41 alles ab, als er das Auto über die A 71 lenkt. Eine Stunde liegt Ilmenau von Jena entfernt. Als er in seiner Heimatstadt ankommt, fährt er zum Rewe-Markt in den Stadtteil Winzerla. Auch er braucht Geld.
    Im Supermarkt arbeitet seine Mutter. Geschockt und aufgewühlt erzählt ihr der Sohn von der hohen Strafe, die Böhnhardt und er zu erwarten hätten: sieben Jahre, hatte Beate Zschäpe heute Morgen am Telefon gesagt.
    Die Mutter gibt ihm ihre EC-Karte.
    Zum Abschied bittet sie Uwe Mundlos noch, dass er sich unbedingt von seinem Vater Siegfried verabschieden soll.
    Gestern am Sonntagabend noch hatten Mundlos und seine Frau Siegfried ihren Sohn ein Stück in Richtung Ilmenau begleitet, wo Uwe zurzeit am Ilmenau-Kolleg sein Abitur nachholt. Zusammen waren sie nach Isserstedt in eine Gaststätte gefahren und hatten gemeinsam zu Abend gegessen. Jetzt, im Supermarkt, wirkt Uwe Mundlos wie ausgewechselt auf seine Mutter.
    Am Wochenende war das Trio mit ein paar anderen Neonazis aus Jena auf einer Demonstration gegen die «Wehrmachtsausstellung» in Dresden gewesen. In einem Pulk von 1300 Rechten in Bomberjacken und Springerstiefeln waren sie durch die Stadt
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