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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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28. Januar 1998, klingelt es an der Tür von Familie Mundlos. Der Thüringer Neonazi Ralf Wohlleben steht im Hauseingang. Ein schlanker junger Mann, der kurze dunkle Haare und eine schwarze Lederjacke trägt. Er gilt als klug, einflussreich und angesehen in der rechten Szene.
    Doch jetzt fängt Wohlleben zu jammern an: Wie konnte Vater Mundlos denn das Auto seines Sohnes einfach so wegfahren? Die drei seien mit seinem Peugeot geflüchtet, weil das Auto neuer war, soll er zu Mundlos gesagt haben. Der Uwe hätte ihm dafür seinen Wagen dagelassen. Uwes Vater solle ihm den Wagen zurückgeben, er müsse zur Arbeit kommen.
    Wohlleben wird seit Oktober 1996 zum Lageristen ausgebildet. Er arbeitet in der Warenannahme eines Möbelhauses und gilt dort noch heute als «bester Lehrling in den vergangenen zwanzig Jahren». Er sei clever gewesen, habe eine schnelle Auffassungsgabe gehabt und sich mit allen Kollegen gut verstanden. «Eben Crème de la Crème», sagt sein damaliger Vorarbeiter.
    Auf der Arbeit sei er nie politisch in Erscheinung getreten. Die ehemaligen Kollegen können sich einzig an einen auffälligen Auftritt ganz anderer Art erinnern. Für die Weihnachtsfeier 1997 hatte Wohlleben mit einem anderen Azubi ein Stück mit der Gitarre einstudiert. Zusammen sangen sie ein anzügliches Lied. Dazu trug Wohlleben ein braunes Jackett, einen roten Schlips, eine Schiebermütze – und riesige Schweinsohren aus Plastik. Ein paar Monate nach dieser Show wird er den NPD-Ortsverband Jena gründen.
    Siegfried Mundlos versteht die Notlage des Freundes seines Sohnes an diesem Morgen sofort. Und er hofft, über Ralf Wohlleben an seinen Sohn heranzukommen.
    Anstatt die Polizei zu informieren, fährt er Wohlleben mit seinem Auto die acht Kilometer bis nach Rothenstein. Gemeinsam kommen sie auf der B 88 durch hügeliges Bergland an Feldern und Nadelwäldchen vorbei und an Schafsgattern aus Holz. Dann passieren sie ein Industriegebiet mit Autohäusern, immer parallel zur Saale, die sich hier durch das Leutratal schlängelt. Der mutmaßliche Unterstützer des Terroristentrios und der Vater des Terroristen bilden eine Fahrgemeinschaft.
    Auf der Fahrt versucht Vater Mundlos immer wieder zu erfahren, was Ralf Wohlleben weiß. Will sich sein Sohn ins Ausland absetzen? Wie lange will er wegbleiben? Wo sind die drei jetzt? Er nutzt die paar Minuten, um etwas aus Wohlleben herauszubekommen. Uwe soll sich unbedingt noch mal bei ihm verabschieden. Aber Ralf Wohlleben schweigt.

    Am selben Tag werden die Kollegen der Ermittlungsgruppe Terrorismus des Landeskriminalamts Thüringen kreativ.
    Am Morgen dieses 28. Januar erhalten sie neue Informationen, die in den Ermittlungen später nie wieder eine Rolle spielen werden – die ihnen aber jetzt helfen.
    Durch die Auswertung der Post aus Uwe Mundlos’ Schreibtisch wissen die Kriminalpolizisten von Briefen, die Mundlos einem deutschen Neonazi geschrieben hat, der in die USA ausgewandert ist.
    Ein LKA-Fahnder des Dezernats 61 schreibt in einem Aktenvermerk: «Dienstlich wurde am heutigen Tag bekannt, dass sich die Beschuldigten des hiesigen Verfahrens über Belgien in die USA/Tennessee absetzen wollen.» Weiter heißt es: «Durch die geplante Flucht erhärtet sich der Tatverdacht. Offensichtlich versuchen sich die Beschuldigten einer Strafverfolgung zu entziehen, insbesondere der Böhnhardt, da dieser noch eine rechtskräftige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat.»
    Das ist die Chance für Kriminalhauptkommissar Georg Taßler, den Haftbefehl zu bekommen, um wieder nach dem Trio fahnden zu dürfen. Auf einmal steht das Wort «Fluchtgefahr» im Raum. Es funktioniert, der Staatsanwalt ist überzeugt.
    Zwei Tage nachdem das Trio aus Jena untergetaucht ist, erlässt der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Jena Haftbefehle gegen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Aktenzeichen 114 Js 37149/97: «Die Beschuldigten sind dringend tatverdächtig», die Kofferbombe vor dem Theaterhaus platziert und weitere Bombenanschläge geplant zu haben. Das legen die Beweisstücke nahe, die die Beamten in der Garage in Jena gefunden haben.
    Die Fahndung beginnt neu.

    Es ist schon Abend, als das Telefon von Familie Mundlos klingelt. Vorgestern ist ihr jüngster Sohn verschwunden. Der Vater hebt den Hörer ab und hört die Stimme seines Sohnes. Sein älterer Sohn sitzt neben ihm und hört das kurze Gespräch mit. Die Stimme am anderen Ende der Leitung sagt nur wenige Sätze und verabschiedet sich am Ende mit:
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