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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße
Autoren: Kurt Mahr
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Thubalkainer zu verstehen. Ich begann, die Geheimnisse ihrer Technik zu verstehen. Und mehr noch: aus den thubalkainischen Unterlagen erkannte ich die Pläne des Königreiches Atalan bezüglich der Unterwerfung der Königreiche am Ufer des Westlichen Meeres. Ich kehrte nach Hause zurück. Ich nahm ein Weib aus dem Volke der Naemiter, und nach zwei Jahren gebar sie mir einen Sohn, den ich Lamech nannte, wie mein Vater mich angewiesen hatte. Henoch, mein Vater, verschwand kurz darauf. Er wurde nie wieder gesehen. Ich nehme an, es ist ihm auf einem seiner Ausflüge in den fremden Zeitstrom, die er bis zuletzt unternahm, um zusätzliches Wissen zu erwerben, etwas zugestoßen, bevor er das Zauberwort aussprechen konnte, das seine Rückkehr in den normalen Strom bewirkte. Ich wurde Regent des sethitischen Reiches und zehn Jahre später, als man von Henoch noch immer keine Spur gefunden hatte, König.
    Meine wahre Aufgabe jedoch war mir klar vorgeschrieben. Ich wußte, daß Kaltheons Angriff auf die Königreiche des Westlichen Meeres unmittelbar bevorstand. Ich wußte ebenso, daß es keinen Sinn hatte, die anderen Könige zu einem Bündnis gegen Atalan bewegen zu wollen. So sehr waren sie von der Übermacht Kaltheons überzeugt, daß sie dem Untergang tatenlos entgegensahen, gebannt von Atalans Glanz wie der Hase vom Blick der giftigen Schlange. An mir allein lag es zu handeln. Aus den Unterlagen der Thubalkainer hatte ich erfahren, daß Kaltheon auf die Lieferung sogenannter Bomben wartete. Das waren Waffen, die er heimlich in jeder der bedeutenden Städte verstecken würde, um sie zu gegebenem Zeitpunkt zu ungeheurer Aktivität zu entfesseln. Mir war nicht klar, was in den Bomben steckte. Aber aus den thubalkainischen Unterlagen ging hervor, daß sie, wenn sie zum Leben erwachten, eine Stadt wie Henoch oder Uruuk im Laufe weniger Augenblicke in Schutt und Asche legen und die Bewohner ohne Ausnahme töten würden. Es fiel mir schwer zu glauben, daß eine solche Waffe überhaupt existierte. Aber die Thubalkainer hatten ihre Unterlagen sicherlich nicht zu dem Zweck verfaßt, mich an der Nase herumzuführen.
    Ich wußte noch mehr. Ich wußte, zu welchem Zeitpunkt die Wolkenschiffe der Thubalkainer mit den Bomben an Bord in Atalan ankommen würden. Und ich traf meine Vorbereitungen. Ich rüstete die größte Flotte, die das Reich der Sethiter jemals gebaut hatte. Ich bemannte sie mit den besten Kriegern des Reiches. Und als der Tag, an dem die thubalkainischen Wolkenschiffe mit den Bomben auf Atalan landen sollten, bis auf anderthalb Jahre herangekommen war, da brach ich mit dieser Flotte auf. Unser Ziel war Atalan. Aber durch das Westliche Meer durften wir uns nicht bewegen, da das Nahen einer solchen Riesenflotte Kaltheon ohne Zweifel längst vor unserer Ankunft gemeldet worden wäre. Deswegen hatte ich die Flotte am Rande des Südmeers erbauen lassen, und wir fuhren, um nach Atalan zu kommen, den gewaltigen Umweg über das Wasser Gihon, dessen äußerster Rand das Meer ist, das wir das Südliche nennen.
     
    Es war um die Mitte des Jahres 716, als Atalans südliche Küste vor uns auftauchte. Nach meiner Berechnung hatten wir noch ein paar Wochen Zeit, bis auf dem weiten Feld fünf Tage von Kaltheons Palast entfernt die Wolkenschiffe der Thubalkainer landen würden, die die Bomben an Bord trugen. Die Südküste des Erdteils Atalan war zum größten Teil unbewohnt. Wir landeten und verbargen unsere Fahrzeuge, ohne daß uns jemand bemerkte. Dann traten wir zum beschwerlichen Marsch quer durch das weite Land an. Wir marschierten des Nachts und verbargen uns des Tags. Die Geschicktesten wurden als Späher ausgesandt, die uns die Front, den Rücken und die Flanken deckten, so daß die Atalaner uns nicht bemerkten.
    Schließlich erreichten wir die Gegend, in der das Flugfeld der Thubalkainer lag. Ich verbarg meine Leute, insgesamt dreitausend an der Zahl, in hügeligem, dichtbewaldetem Land und ging rekognoszieren. Das Zauberwort öffnete mir den Zugang zu dem fremden Zeitstrom, in dem außer mir alles stillzustehen schien. Ich begab mich auf das Flugfeld der Thubalkainer und vergewisserte mich, daß die Wolkenschiffe mit den Bomben, insgesamt neunundzwanzig, in der Tat in zwei Tagen hier anlangen würden.
    Mit dieser Nachricht kehrte ich zu meinen Kriegern zurück. Sie waren halb verhungert, da das Land nicht viel Proviant hergab, besonders wenn man sich hindurchbewegen mußte, ohne aufzufallen. Aber sie wußten, welches ihre
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