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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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erobern, und danach werde ich mächtig genug sein, um Euch diese Demütigungen heimzuzahlen, Mönch. Verlasst Euch darauf!«
    Er riss die schwere Eichentür auf und stampfte aus dem Raum. Einhard setzte sich wieder und rieb sich müde die Augen. Um Himmels willen, dachte er, mein Plan muss gelingen! Herr Christus, was habe ich nur angerichtet? Es gibt nur einen Weg, den Wahren Willen Gottes zu verwirklichen, der Weg dieses elenden Mordbrenners ist ein Trugbild. Ich hätte den zweiten Plan nie entwickeln dürfen, wie konnte ich dem Drängen des Königs nur nachgeben? Herr, hilf mir, lass mich unter den Heiden den finden, den ich suche, ich flehe Dich an!
    Durch die immer noch offene Tür trat ein kurz geschorener Bediensteter in der Livree des Hofes, ein gelbes Wams zu schwarzen Hosen. Er zögerte einen Augenblick, als er den Oberkämmerer in Gedanken versunken antraf, nahm dann aber allen Mut zusammen und sagte vorsichtig: »Vergebt die Störung, Herr. Aber der König verlangt nach Euch.«
    Einhard sah auf, und sofort war sein Gesicht wieder die emotionslose Maske des kühlen, perfekt kalkulierenden Denkers.
    »Sagt dem König, ich komme unverzüglich.«
    Der Diener verneigte sich und ging wieder.
    Einhard stand auf, zog sich die raue Kutte zurecht und machte sich auf dem Weg, um seinem Herrn gegenüberzutreten, Karl dem Großen, König der Franken, Bekehrer der Sachsen, nach Gottes Willen wahrer Imperator Roms.
        
     

3
     
    Augusta Raurica
Grenzstadt zum Frankenreich
     
    Schon nach zwei Tagen unfreiwilligen Aufenthalts in der Stadt langweilte Andreas Sigurdius sich zu Tode. Während des langen und anstrengenden Ritts über die Alpenpässe hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich die kalten, immer noch schneebedeckten Bergstraßen hinter sich lassen zu können und das raetische Tiefland zu erreichen. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer, schon Aventicum, der Sitz der Verwaltung der Provinz Raetien, erwies sich als fast genauso bedrückend wie das Hochgebirge. Und die kleine Stadt an der Grenze, in der er sich nun aufhielt, war noch schlimmer. Manchmal in den vergangenen vier Jahren hatte er das laute, nie ruhende Rom mit seinen sechshunderttausend Menschen verflucht und von der Ruhe und Weite der pannonischen Ebene geträumt. Nun erkannte er, dass es ein Segen war, in Rom zu leben, denn Augusta Raurica erfüllte alle Klischees, die man abgelegenen Provinzorten im Allgemeinen zuschrieb. An einigen Stellen fanden sich zerfallende Überreste aus den längst vergangenen Jahrhunderten der pax romana, als hier reiche Händler und Grundbesitzer lebten und sich mit ihrem Geld die Annehmlichkeiten heimischer Lebensart in diese Gegend holten, in der es noch unangenehm kühl und feucht war, wenn in Rom schon lange der Frühling Einzug gehalten hatte.
    Zwei Tage lang war Andreas im ständigen Nieselregen durch die Straßen der Stadt gewandert, in der Hoffnung, irgendwo Zerstreuung zu finden. Stattdessen hatte ihn die Atmosphäre mehr und mehr bedrückt, die traurigen Zeugnisse der Vergangenheit vor einem grauen Himmel schlugen ihm aufs Gemüt. Das alte Theater war nur noch eine Ruine, in der ein gewisser M. Tertius Publius Brennholz lagerte und zum Verkauf anbot. Schäbige Häuser gruppierten sich um das Forum, dessen einzige vorzeigbare Bauten die Basilica und die nicaeische Kirche waren, beide stammten noch aus der Glanzzeit Augusta Rauricas. Die Kirche war unverkennbar ein ehemaliger heidnischer Tempel, den Giebel schmückte immer noch ein Marmorfries mit Figuren, die überhaupt nichts Christliches an sich hatten. Über ihnen allerdings erhob sich ein großes Kreuz und zeigte deutlich, dass der Wahre Glaube über die Götter des alten Rom triumphiert hatte.
    Andreas verstand die Symbolik sehr wohl, aber sie berührte ihn nicht besonders. Wie die meisten Ostgoten war auch er Arianer, und das Kreuz bedeutete für ihn nicht viel. Aus arianischer Sicht war Jesus ein Mensch gewesen, den Gott zum Träger seiner Offenbarung der Gnade gemacht hatte. Sein Tod am Kreuz war ein großes Opfer, mit dem er den Menschen die Augen für diese Botschaft öffnete. Aber Gottes Sohn, nein, das war er gewiss nicht.
    Trotz dieser grundverschiedenen Auffassungen vom Wesen Christi lebten die Nicaeer und die Arianer in gutem Einverständnis miteinander im Westreich, und das hatte man ausschließlich der Weisheit Rufus’ I. zu verdanken. Das angeschlagene Rumpfimperium, das er vor Odoakers gierigem Griff hatte retten
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