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Die Zeitfalle

Die Zeitfalle

Titel: Die Zeitfalle
Autoren: Terry Carr
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ihn zu der anderen Seite zwang. Nein, diesmal nicht. Nicht daran denken. Nicht denken.
    Um sich abzulenken, versuchte er sich über seine körperlichen Bedürfnisse klarzuwerden und fand, daß er hungrig war. Sein Körper war hungrig. Er bedurfte nicht unbedingt einer Mahlzeit, und sein Geist würgte bei dem Gedanken an Essen, aber die Nahrung, von der er lebte, enthielt Bestandteile, die eine sehr milde Form von Sucht erzeugten, und sein Körper wollte essen. Diese Beimischung sollte die Leute dazu bringen, die nach modernsten Erkenntnissen humanbiologisch sinnvoll zusammengesetzte und vorbereitete Nahrung auch wirklich zu essen. Kauen und schlucken: ein Beruhigungsmittel. Resigniert drückte er ziemlich wahllos eine Kombination auf der Tastatur des automatischen Küchenherdes, ohne besonders darauf zu achten, was er bekam. Die Elektronik summte ein wenig, der Herd erhitzte sich und meldete mit einem leisen Glockenton, daß das Essen fertig war. Bradley nahm einen Topflappen, öffnete die schmale Klappe und zog die abgerundet rechteckige, in kleine geometrische Näpfe unterteilte Porzellanplatte heraus. Er schob sie auf die Eßfläche neben dem Herd, schwenkte den drehbaren Hocker aus und setzte sich. Das Menü war auf die napfähnlichen Vertiefungen der Platte verteilt, ein Klumpen hier, ein Klecks dort. Es schmeckte im Grunde alles gleich: wie Plastik. Bradley aß, ohne es zu bemerken, versuchte vergebens, seine Gedanken von dem anderen Ding abzulenken.
    Es war nicht genug, Nichts war genug.
    Er legte seine Gabel aus der Hand, rieb seine Augen mit den Fingerspitzen, die Ellenbogen auf der Plastikoberfläche seines Eßplatzes. Er bemühte sich, seinen Magen zu überzeugen, daß diese Speisen garantiert leicht und bekömmlich seien, ohne jegliche Reizwirkung. Natürlich war das Egodrex schuld daran; die Stunden, die auf den letzten Trip des Wochenendes folgten, waren immer schlecht. Aber es war zu ertragen.
    Vielleicht bist du diesmal erledigt. Du wirst es wieder tun, nicht wahr? Nein. Doch, du wirst es tun, du weißt es. Vielleicht werden sie dich diesmal erwischen. Ins Gefängnis stecken. Oder in eine Anstalt. Erniedrigung. Schande. In einer Weise hast du all diese Jahre Glück gehabt. Niemand ist je auf die Sache mit der egomorphischen Droge gekommen, trotz Reihenuntersuchungen und allem. Keine Einstichstellen, keine bleibenden Veränderungen der äußeren Erscheinung, keine anhaltende Wirkung auf Stoffwechsel und Kreislauf: Das Heroin des denkenden Menschen. Aber irgendwann werden sie dich erwischen. Vielleicht diesmal. Heute.
    Bradley stand auf und wanderte steifbeinig durch den Raum, immer im Kreis herum, vorbei an seinen Möbeln, alles betrachtend, aber nichts berührend. Seine Möbel. Seine Sachen. Sagte er. In Wirklichkeit waren sie es nicht. Die Wohnung und alles darin gehörte dem Staat. Der Austausch ging automatisch vor sich. Er sah nie irgendwelches Geld. Tatsächlich gab es kein Geld im ursprünglichen Sinne. Die Bankcomputer verrechneten das Kreditguthaben, das er verdiente, mit der Kreditbelastung, die sich daraus ergab, daß er die guten Dinge im Leben mietete, auf die ein GS 8 Anspruch hatte. Nicht mehr und nicht weniger. Essen, Kleidung, antike Laternen – der Staat erlaubte ihm, diese Dinge als Gegenleistung für seine Arbeit zu verbrauchen und zu mieten. Es gab keinen anderen Ort, wo man sie erhalten konnte. Es gab nur ein Spiel in der Stadt. Rückte er in eine höhere Tarifgruppe auf, wurde sein Kreditguthaben größer und er könnte mehr gute Dinge von entsprechend feinerer Qualität mieten. Und wenn er starb, würde der Staat diese Wohnung und alles darin jemandem vermieten, der gerade aus Gruppe GS 7 aufgestiegen war, einschließlich der gleichen Nahrung und Kleidung – obwohl es in der Praxis eine unvermeidliche Abnutzung gab, so daß gelegentlich Dinge ausgetauscht werden mußten. Der Kreislauf innerhalb des Systems war nicht vollkommen; etwas ging immer verloren und etwas anderes mußte ihm dafür zugeführt werden.
    Meine Sachen. Gott schütze mich vor meinen Sachen.
    Er blickte aus dem Fenster. Von Baltimore bis Boston eine einzige Stadt. Überall das gleiche.
    Es gab keine Alternative, keinen Ort, wohin man gehen konnte. Zur Tür hinaus durch den Korridor, hinunter mit dem Aufzug oder über die Treppe, dann vorbei an den Betonarkaden und Springbrunnen, den kränkelnden anämischen Bäumen und den Betongebirgen der anderen GS-Wohnkomplexe; vorbei an den eintönigen Wohnblocks aus
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