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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung
Autoren: Andrzej Sapkowski
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weiß ich noch nicht. Aber in Kürze werde ich es wissen.«
    »In Kürze«, stieß der Hexer hervor, »ist für mich zu spät.«
    »Das kann ich keineswegs ausschließen«, sagte Codringher in ernstem Ton. »Du bist in eine ekelhafte Bredouille hineingeraten, Geralt. Gut, dass du dich an mich gewandt hast, ich kann Leute aus Bredouillen herausholen. Im Grunde habe ich dich schon herausgeholt.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.« Der Advokat legte das Tuch an den Mund und begann zu husten. »Denn weißt du, Kollege, außer dem Zauberer und vielleicht Nilfgaard ist noch eine dritte Partei im Spiel. Es haben mich, stell dir vor, Agenten der Geheimdienste von König Foltest aufgesucht. Sie hatten Probleme. Der König hat ihnen befohlen, eine gewisse verschwundene Fürstentochter zu suchen. Als sie merkten, dass das ziemlich schwierig ist, beschlossen die Agenten, einen Spezialisten für schwierige Fälle hinzuzuziehen. Nachdem sie das Problem umrissen hatten, deuteten sie dem Spezialisten an, dass ein gewisser Hexer allerlei über die gesuchte Fürstentochter wissen könne. Ja, vielleicht wisse er sogar, wo sie sich befindet.«
    »Und was tat der Spezialist?«
    »Anfangs drückte er seine Verwunderung aus. Er wunderte sich nämlich, dass man besagten Hexer nicht eingelocht hatte, um dann auf herkömmliche Weise alles zu erfahren, was er weiß, und sogar eine Menge, was er nicht weiß, sondern sich ausdenkt, um die Fragenden zufriedenzustellen. Die Agenten erwiderten, das habe ihnen ihr Chef verboten. Hexer, erläuterten die Agenten, haben ein so empfindliches Nervensystem, dass sie unter der Folter augenblicklich sterben oder, wie sie sich bildlich ausdrückten, sie der Schlag trifft. Weshalb ihnen aufgetragen sei, den Hexer aufzuspüren, doch auch das habe sich als schwierig erwiesen. Der Spezialist lobte die Agenten, dass sie so vernünftig waren, und sagte, sie sollten in zwei Wochen wiederkommen.«
    »Kamen sie?«
    »Klar doch. Und da hat der Spezialist, der dich schon als seinen Klienten betrachtete, den Agenten unwiderlegliche Beweise präsentiert, dass der Hexer Geralt nichts mit der Suche nach der Fürstentochter zu tun hatte, nicht hat und nicht haben kann. Der Spezialist hatte nämlich Augenzeugen für den Tod der Fürstentochter Cirilla gefunden, der Enkelin von Königin Calanthe, der Tochter von Prinzessin Pavetta. Cirilla ist vor drei Jahren in einem Flüchtlingslager in Angren gestorben. An Diphtherie. Das Kind hat vor dem Tode schrecklich gelitten. Du wirst es nicht glauben, aber die temerischen Agenten hatten Tränen in den Augen, als sie sich die Berichte meiner Augenzeugen anhörten.«
    »Ich habe auch Tränen in den Augen. Die temerischen Agenten, wie ich annehme, konnten oder wollten dir nicht mehr als zweihundertfünfzig Kronen bieten?«
    »Dein Sarkasmus tut mir im Herzen weh, Hexer. Ich habe dich aus der Bredouille geholt, und du, statt mir zu danken, verletzt mich.«
    »Ich danke und bitte um Entschuldigung. Warum hat König Foltest den Agenten aufgetragen, Ciri zu suchen, Codringher? Was sollen sie tun, wenn sie sie finden?«
    »Du bist vielleicht beschränkt. Sie umbringen, versteht sich. Sie gilt als Prätendentin auf den Thron von Cintra, aber bezüglich dieses Thrones hat man andere Pläne.«
    »Das geht nicht zusammen, Codringher. Der Thron von Cintra ist mitsamt dem königlichen Palast, der Stadt und dem ganzen Land verbrannt. Jetzt herrscht dort Nilfgaard. Foltest weiß das genau, die anderen Könige auch. Auf welche Weise kann Ciri Anspruch auf einen Thron erheben, den es nicht gibt?«
    »Komm.« Codringher stand auf. »Wir wollen gemeinsam versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Bei der Gelegenheit werde ich dir einen Vertrauensbeweis geben  ... Was interessiert dich so an diesem Porträt, wenn ich fragen darf?«
    »Dass es durchlöchert ist, als ob ein Specht mehrere Jahre darauf herumgehackt hätte«, sagte Geralt, während er das Bild in dem vergoldeten Rahmen betrachtete, das an der Wand gegenüber dem Schreibtisch des Advokaten hing. »Und dass es einen Ausbund von einem Idioten darstellt.«
    »Das ist mein dahingegangener Vater.« Codringher verzog leicht das Gesicht. »Ein Ausbund von einem Idioten. Ich habe das Porträt hier aufgehängt, um ihn immer vor Augen zu haben. Als Warnung. Komm, Hexer.«
    Sie gingen ins Vorzimmer. Der Kater, der mitten auf dem Sofa lag und selbstvergessen eine in seltsamem Winkel vorgereckte Hinterpfote leckte, verschwand beim Anblick des
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