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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs
Autoren: Philip K. Dick
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ich mit den UNO-Vertretern hier in L.A. telefoniert und ihnen gesagt, daß wir zum Mars auswandern wollen. Sie haben mir versprochen, die Unterlagen und Instruktionen noch heute zu schikken.«
    »Gut«, nickte er.
    »Es wird eine aufregende Reise«, schwärmte Lotta, »wenn wir uns wirklich dazu entschließen. Glaubst du, daß wir es tun werden?«
    »Ich wüßte nicht, was wir sonst tun könnten«, sagte er ehrlich.
    In der Wohnung angekommen, standen sie einander im Wohnzimmer gegenüber und sahen sich an.
    »Ich bin müde«, sagte Sebastian; er rieb sich die schmerzenden Augen.
    »Zumindest brauchen wir uns jetzt wegen der Bibliotheksagenten keine Sorgen mehr zu machen«, stellte seine Frau fest. »Meinst du nicht auch? Sie sind dir bestimmt dankbar dafür, daß du sie gerettet hast; glaubst du nicht?«
    »Von der Bibliothek haben wir nichts mehr zu befürchten«, stimmte er zu.
    »Findest du mich langweilig?« fragte Lotta.
    »Nein«, sagte er. »Nicht im geringsten.«
    »Diese Fisher – sie ist so dynamisch. So aggressiv lebendig.«
    »Wir müssen uns verstecken, bis unsere Papiere in Ordnung sind und wir an Bord des Marsschiffes gehen können«, erklärte Sebastian. »Hast du irgendeinen Vorschlag?« Ihm fiel im Moment nichts ein. Er fragte sich, wieviel Zeit ihnen noch blieb. Wahrscheinlich nur noch Minuten. Die Jünger konnten
    jeden Augenblick zurückkehren.
    »Im Vitarium?« schlug Lotta hoffnungsvoll vor.
    »Ausgeschlossen. Hier werden sie zuerst suchen, dann dort.«
    »Ein Hotelzimmer. Irgendeines.«
    »Vielleicht«, sagte er und ließ es sich durch den Kopf gehen.
    »Ist dir der Anarch wirklich in einer Vision erschienen?«
    »Es sah so aus. Vielleicht – er hat es selbst gesagt – habe ich zuviel von dem LSD eingeatmet. Und was er mir gesagt hat, waren nur meine eigenen Gedanken.« Er würde es wahrscheinlich nie erfahren. Vermutlich spielte es auch keine Rolle.
    »Mir würde es gefallen«, sagte Lotta. »Eine religiöse Vision zu haben. Aber ich dachte, man hat nur Visionen von toten Menschen. Nicht von Lebenden.«
    »Vielleicht haben sie ihn bereits getötet«, vermutete Sebastian. Wahrscheinlich ist er schon tot, dachte er. Nun, so ist es eben. Sum tu, dachte er, Ray Roberts zitierend. Ich bin du, und wenn du stirbst, sterbe auch ich. Und wenn ich lebe, lebst auch du. In mir. In uns allen.

    21. K APITEL

    Du riefst und schriest und durchbrachst
meine Taubheit.
Du blitztest, strahltest und erhelltest meine Blindheit …
Du hast mich berührt, und ich verzehrte mich
nach Deinem Frieden.
– Augustinus

    An diesem Abend sahen er und Lotta von düsteren Vorahnungen erfüllt die Fernsehnachrichten.
    »Den ganzen Tag über«, meldete der Nachrichtensprecher, »versammelte sich in der Umgebung der Stadtbibliothek eine ständig wachsende Menge von Uditen, Anhänger von Seiner Heiligkeit Ray Roberts; eine aufgebrachte Menge, deren Verhalten Unruhen befürchten ließ. Die Polizei von Los Angeles, die die Menge beobachtete, ohne jedoch einzuschreiten, teilte kurz vor siebzehn Uhr mit, daß sie einen Angriff auf die Bibliothek befürchtet. Wir sprachen mit einer Reihe von Demonstrationsteilnehmern und fragten sie, warum sie sich hier versammelt haben und was ihre weiteren Absichten sind.«
    Der Bildschirm zeigte zusammenhanglose Szenen von rennenden Menschen. Lärmenden Menschen, hauptsächlich Männer, schreiend die Arme schwenkend.
    »Wir sprachen mit Mr. Leopold Haskins und fragten ihn, warum er vor der Bibliothek demonstriert, und hier ist seine Antwort.«
    Ein kräftiger Schwarzer, ungefähr Ende Dreißig, erschien auf dem Bildschirm und blickte finster in die Kamera. »Nun, ich bin hier«, sagte er schroff, »weil sie den Anarchen in der Bibliothek gefangenhalten.«
    Der Fernsehreporter hielt ihm das Mikrofon entgegen. »Der Anarch Thomas Peak befindet sich in der Bibliothek, Sir?«
    »Ja, sie halten ihn fest«, nickte Leopold Haskins. »Gegen zehn Uhr heute morgen haben wir erfahren, daß sie nicht nur den Anarchen entführt haben, sondern ihn auch erledigen wollen.«
    »Ihn umbringen, Sir?« fragte der Fernsehreporter.
    »Genau; das haben wir gehört.«
    »Und was wollen Sie dagegen tun, vorausgesetzt, es stimmt?«
    »Nun, wir haben vor, ‘reinzugehen. Genau das haben wir vor.« Leopold Haskins sah sich selbstbewußt um. »Man hat uns gesagt, daß wir ihn unter allen Umständen herausholen müssen, deshalb sind wir hier; ich bin hier, um die Bibliothek an ihrem schrecklichen Vorhaben zu
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