Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
dafür. In Ordnung; ich fliege zur Bibliothek zurück.«
    »Ihr müßt die Bibliothek evakuieren«, sagte er. »Vollständig. Vor sechs Uhr.«
    »Soll sie mit schweren Waffen aus der F.N.G. zerstört werden?«
    »Sie haben eine Atomkanone. Nukleargranaten. Sie wissen, daß sie den Anarchen nicht zurückbekommen können. Sie werden deshalb die Bibliothek dem Erdboden gleichmachen.«
    »Rache«, sagte Ann. »Das hat sie schon immer angetrieben. Wie in den alten Tagen der Ermordung von Malcolm X.«
    Er nickte erneut.
    »Nun, was meinst du zu all dem?« fragte sie.
    »Ich will nichts damit zu tun haben«, sagte er schlicht.
    »Sie werden stinkwütend auf dich sein, weil du mir geholfen hast«, bemerkte Ann. »Wenn sie schon vorher wütend auf dich gewesen sind …«
    »Ich weiß.« Er hatte daran gedacht. Während er mit dem Anarchen gesprochen hatte. Um genau zu sein, seitdem hatte er ständig daran gedacht.
    »Könnt ihr nicht fliehen? Du und Lotta?«
    »Vielleicht zum Mars«, sagte er.
    Sie drückte erneut sein Knie. »Ich danke dir, daß du mich gewarnt hast. Viel Glück. Steig jetzt aus; ich bin schrecklich nervös – ich will fort, solange ich noch kann.«
    Er glitt aus dem Wagen und schloß die Tür. Ann ließ den Motor an; der Wagen stieg rasch in die Höhe und fädelte sich in den Nachmittagsverkehr ein. Er stand da und sah ihm nach, bis er verschwunden war.
    Aus dem Lift traten zwei bewaffnete Jünger der Macht. »Was ist passiert?« fragte einer von ihnen. »Warum sind Sie nicht mit ihr nach unten gekommen?«
    Ich weiß es nicht, wollte er sagen. Aber dann erklärte er statt dessen: »Ich habe sie gewarnt.«
    Einer der Jünger hob seine Pistole und zielte auf Sebastian. »Später«, sagte der andere rasch. »Vielleicht erwischen wir sie noch; los.« Er lief zu ihrem geparkten Schwebewagen, und der andere ließ von Sebastian ab und folgte seinem Gefährten. Einen Moment später waren auch sie in der Luft; er sah zu, wie sie davonrasten, und ging dann zu seinem eigenen Wagen. Eine Weile saß er tatenlos da, dachte an nichts; sein Kopf war wie leergefegt.

    Schließlich nahm er den Hörer des Autovidfons ab und wählte seine eigene Nummer.
    »Auf Wiedersehen«, meldete sich Lotta atemlos; ihre Augen
    weiteten sich, als sie ihn erkannte. »Ist alles vorbei?« fragte sie.
    »Ich habe sie gewarnt«, sagte er.
    »Warum?«
    »Ich liebe sie«, gestand Sebastian. »Es ist offenkundig. Was ich getan habe, bestätigt es nur.«
    »Sind … die Jünger wütend?«
    »Ja«, sagte er knapp.
    »Du liebst sie wirklich? So sehr?«
    »Der Anarch hat mich dazu aufgefordert«, erklärte Sebastian. »Er erschien mir in einer Vision.«
    »Das ist lächerlich.« Wie gewöhnlich fing sie an zu weinen; Tränen rannen ungehindert über ihre Wangen. »Ich glaube dir nicht; niemand hat mehr Visionen.«
    »Weinst du, weil ich Ann Fisher liebe?« fragte er. »Oder weil die Uditen wieder hinter uns her sein werden?«
    »Ich … weiß es nicht.« Sie weinte weiter. Hilflos.
    »Ich komme nach Hause«, sagte Sebastian. »Es bedeutet nicht, daß ich dich nicht mehr liebe; ich liebe dich auf eine andere Art. Ich bin ihr einfach verfallen; es ist falsch, aber es ist nun einmal so. Mit der Zeit werde ich von ihr loskommen. Es ist wie eine Neurose; wie eine Besessenheit. Es ist eine Krankheit.«
    »Du Schweinehund«, schluchzte Lotta verzweifelt.
    »Okay«, sagte er matt. »Du hast recht. Jedenfalls hat es mir der Anarch gesagt, er hat mir gesagt, wie ich wirklich zu ihr stehe. » Darf ich nach Hause kommen? Oder soll ich …«
    »Komm nach Hause«, sagte Lotta und wischte sich mit den Fingerknöcheln die Tränen aus den Augen. »Wir überlegen uns dann, was wir tun. Hallo.« Erschöpft legte sie auf.
    Er ließ den Motor seines Wagens an und stieg hinauf in den Himmel.

    Als er sein Haus erreichte, erwartete ihn Lotta auf dem Dach. »Ich habe nachgedacht«, erklärte sie, als er aus dem Wagen stieg, »und mir ist klar geworden, daß ich kein Recht habe, dir Vorwürfe zu machen; schließlich habe ich mich auch mit Joe Tinbane eingelassen.« Zögernd streckte sie ihre Arme nach ihm aus. Er drückte sie fest an sich. »Ich glaube, du hast recht, wenn du sagst, daß es wie eine Krankheit ist«, murmelte sie, den Kopf an seine Schulter gepreßt. »Wir beide müssen es auf diese Weise sehen. Und du wirst darüber hinwegkommen. Genau wie ich über Joe hinwegkommen muß.«
    Zusammen gingen sie zum Aufzug.
    »Nach unserem Gespräch«, fuhr Lotta fort, »habe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher