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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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Mein geliebter Mann, der mächtige Zar aller Russen, ist gestorben – und das gerade zur rechten Zeit! Für einen Augenblick steht dort in seinem Schlafzimmer in den oberen Räumen des Winterpalastes die Zeit still.
     

Aus dem Tagebuch
    des Jean Jacques de
    Campredon
     
     
    Sankt Petersburg, 16. Mai im Jahre des Herrn 1727
     
     
    Zur Nacht.
    Ich kehre gerade aus dem Palast zurück, wo auch die anderen Gesandten sich zur Abendstunde einfanden. Fürst Menschikow empfing uns und gab uns Auskunft über den Zustand der Zarin. In all den Jahren, in denen ich, nun Gesandter in Sankt Petersburg, für Seine allergnädigste Majestät den König von Frankreich bin, habe ich noch nicht so viel Trauer in den Gesichtern der Menschen gesehen.
    Selbst Menschikow scheint angerührt, daß das Leben dieser erstaunlichen Fürstin sich seinem Ende neigt. Obwohl er sich besser Gedanken um seine Zukunft machen sollte. Nun mag man sich noch fragen: Herrscht er? Herrscht sie? Was wird mit ihm geschehen, wenn nun auch die Zarin stirbt, nur zwei Jahre nach dem Tod Peters des Ersten? Menschikow hat mehr Feinde als Haare auf dem Kopf, und er sieht es in seinem Größenwahn und seinem Machtdurst nicht einmal. Sicher, er hat seine Tochter Maria mit dem kleinen Prinzen Peter Alexejewitsch verlobt. Aber eine Verlobung ist an diesem Hof auch schnell wieder gelöst. Die Tinte wird in den kommenden Wochen an meiner Feder nicht so schnell trocknen, da bin ich mir sicher!
    Die Zarin liegt im Sterben, und man kann bis zu ihrer letzten Stunde nur über die göttliche Vorhersehung staunen, die sie so weit, so unvorstellbar weit über den Stand ihrer Geburt erhoben hat. Selbst meine Königin, die als Prinzessin Maria Leszczynskaja aus Polen kam, ist voll Staunen über sie. Andersherum ist das nicht so: Die Zarin hatte gehofft, der König von Frankreich wollte ihre Tochter Elisabeth heiraten. Sicher, als sie zur Zarin ausgerufen wurde, gab es einigen Unfrieden zwischen den Fürsten, den Bojaren und vor allem mit der heiligen russischen Kirche. Aber hier konnte sie sich auf Menschikow verlassen: Er ließ an den Brennpunkten des Widerstandes seine Soldaten aufmarschieren. Vor ihren aufgepflanzten Bajonetten wurden Zweifler rasch zu Anhängern!
    Ich erinnere mich an den Tag der Beerdigung Peters des Ersten. Sie bezeugte dem Volk ihren Anspruch auf Peters Erbe durch ihre tiefe Trauer und ihre abgrundtiefe Verzweiflung. Wirklich, daß ein einziges Weib so viele Tränen in sich haben kann! Oder vielleicht kennen wir keine anständigen Weiber mehr? Wenn man bedenkt, daß Wilhelm Mons da erst einige Monde tot war, bestürzte ihr Unglück noch mehr. Denn über die Art der Verbrechen des jungen Mons besteht ja wohl kein Zweifel! Ihre Damen, deren Gesichter je nach Rang von schwarzen Schleiern in verschiedener Länge verdeckt waren, versuchten sie zu stützen. Sie jedoch schlug auf den Boden und krallte sich in die Särge. Der Zar Peter hatte sie geliebt. Aber hatte sie ihn geliebt, so daß man ihren Tränen bei der Totenwache glauben konnte? Dazu war er zu furchtbar.
    Nach seinem Tod jedoch fürchteten wir um ihre Gesundheit: Es dauerte Wochen, bis sie sich soweit beruhigte, daß der Erzbischof von Pskow den Sarg des toten Zaren überhaupt schließen durfte. Er lag entgegen allen russischen Sitten in aller Pracht und mit allen Zeichen seiner Größe aufgebahrt. Dann, fünf Wochen nach dem Tod des Zaren, nahm Gott die kleine Zarewna Natalja Petrowna Romanow in ihrem siebten Lebensjahr zu sich. Der Herr gibt, und der Herr nimmt. Die Hofdame Anna Kramer verfiel über den Tod der kleinen Zarewna in Schwermut und nahm ihren Abschied. Am zehnten Tag im März 1725 wurden beide dann in der Peter-und-Pauls-Kathedrale zur letzten Ruhe gebettet. Auf dem Eis der Newa zogen im Morgengrauen schon Zehntausende von Soldaten aller Regimenter auf. Peters Sarg ruhte auf den Schultern von zwölf Offizieren, und acht Generalmajore hielten den Baldachin aus grünem Samt mit den goldenen Quasten, der den Sarg vor dem Schnee und dem Hagel bewahren sollte. Zweiunddreißig edle Rösser trabten voran, so daß die Federbüsche auf ihrem Zaumzeug wippten. Um den Sarg standen Peters engste Freunde und die hohen Würdenträger des Reiches. Jeder von ihnen nahm ein Stück der Sargdecke auf. Die Schneeflocken blieben an ihren Wimpern hängen und mischten sich in ihre Tränen.
    Dann jedoch kehrte alles recht schnell zu einem Alltag zurück, der sich seit dem großen Peter nur bessern konnte. Die
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