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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Autoren: Arto Paasilinna
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Gebetsmühle, Feinschliff und Verbreitung der neuen Religion, Fertigstellung des Reiseberichts, Wandern und Erholung in Mitteleuropas fruchtbarer und historischer Landschaft … und schließlich ein herrlicher Urlaub in den schönsten Wochen des Spätsommers! So ganz ohne Sinn und Zweck würde man auch diesmal nicht verreisen!

28
    Die Ehepaare Lonkonen und Homanen flogen fröhlich und erwartungsvoll nach Prag. Es war Ende Oktober, und der finnische Sommer war mit ersten Regenschauern und Stürmen endgültig vom Herbst abgelöst worden. In Mitteleuropa dagegen herrschte noch mildes, sommerliches Wetter. Besonders Anita und Irma freuten sich auf die kommenden zwei, vielleicht drei Urlaubswochen. Unterwegs erzählte Lauri von der feinmechanischen Industrie in Tschechien, was die Frauen nicht sonderlich interessierte, trotzdem hörten sie sich alles an, und das sogar ziemlich ruhig.
    Lauri wusste zu berichten, dass sich Tschechien bereits zu Zeiten der früheren Volksrepublik der Tschechoslowakei, ja eigentlich bereits lange vorher, zu einem bekannten und geschätzten Industriestaat entwickelt hatte. Während der Weltkriege waren tschechische Kampfmittel gefragte Tötungswerkzeuge gewesen, besonders die Maschinenfeuerwaffen der Infanterie. Das Know-how im Maschinenbau gründete sich jedoch nicht allein auf die Produktion von Gewehren, die Tschechen waren auch führend in der europäischen Autoindustrie. Immer noch gehörten die Autos von Skoda in Technik und Design zur Weltspitze. Die Finnen hatten vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg Skoda gefahren, als nicht genug westliche Autos importiert werden konnten. Lauri hatte mit den Prager Partnern vereinbart, dass einer ihrer Vertreter zum Flughafen kommen sollte, um sie in die Fabrik zu begleiten, damit sie sich die Produkte ansehen und den gemeinsamen Vertrag aushandeln könnten. Lauri äußerte die Hoffnung, dass auch die Ehefrauen an dieser Visite teilnehmen würden, dadurch bekämen sie einen Einblick in den mitteleuropäischen Maschinenbau und einen ersten Kontakt zu Tschechien. So geschah es.
    Auf dem Prager Flughafen wartete tatsächlich ein junger Ingenieur, der die finnischen Gäste in Empfang nahm. Man fuhr zu einem Industriegebiet im Osten der Stadt, das direkt an der Moldau lag und eine mittelgroße Maschinenfabrik beherbergte. Gastgeber war der Chef persönlich, ein betagter, homerischer Gentleman, der stolz seinen Betrieb zeigte. Er erzählte, dass an diesem Standort bereits seit mehr als dreihundert Jahren Eisen geschmiedet, gegossen und bearbeitet wurde. Besonders zufrieden äußerte er sich über die Leistung seiner Presse, die er als eine der modernsten in ganz Europa pries. In dieser Abteilung würde man die äußere Hülle und auch viele andere Bauteile der finnisch-indischen Gebetsmühle herstellen.
    Zum Abschluss des Rundgangs führte er seine Gäste in den Klubraum des Betriebes, wo ein üppiger tschechischer Lunch mit Bier und allem Drum und Dran wartete. In angenehmer Atmosphäre unterschrieben Lauri und Kalle einen Auftrag für die Herstellung von hunderttausend Gebetsmühlen. Lauri hatte den Text bereits vorab bekommen und studiert. Zur Feier des Ereignisses hob der Firmenchef sein schäumendes Bierglas und sprach die Hoffnung aus, dass die Zusammenarbeit auch nach Fertigstellung der ersten Probeserie weitergehen möge.
    Um die heitere Begegnung zu würzen, stellte Lauri auch die neue Religion vor. Der Chef zeigte sich interessiert. Als er hörte, dass es seine Kunden waren, die diese Religion erdacht hatten, versprach er bereitwillig, mitzumachen. Kalle sagte ihm, dass jeder Gläubige zwei neue gewinnen solle, und diese wiederum zwei weitere und so fort. Es handelte sich um eine mathematische Gesetzmäßigkeit der Potenzrechnung. Bereits jetzt hatte der Weltallglaube Hunderte, ja Tausende Unterstützer, und das dank dieser Art der Mitgliederwerbung.
    Dem Direktor gefiel auch die Tatsache, dass in der neuen Religion keinen speziellen Göttern gedient wurde, sondern das Weltall diese Funktion ausübte. Er als Tscheche, so sagte er, habe genug von all den Führern und Göttern. Während der Besetzung des Landes waren Lenin und Stalin verehrt worden, als ob sie Götter wären, und danach war das Volk gezwungen worden, vor den Bajonetten der Sowjetsoldaten zu Kreuze zu kriechen. Von Gottheiten und großen Führern hatte man in Prag wahrhaftig die Nase voll. Der Direktor rief zwei jüngere Ingenieure hinzu und erklärte ihnen rasch das
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