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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Marzi
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beigetreten«, erklärte er und beschrieb diese Heldin ausführlich.
    »Oh«, sagte Faye, beeindruckt und unwissend.
    »Auch Green Arrow hat in diesem Tempel gelebt.«
    Faye lächelte höflich. Sie kannte sich mit Superhelden nicht gut aus.
    »Magst du Comics?«, fragte Mica geradeheraus.
    »Ich lese eigentlich gar keine Comics.«
    »Du kannst es lernen«, war seine Antwort.
    Faye nickte.
    Mica trank seinen Tee und schaute sie an. Ruhig und fast wie ein Therapeut. »Ich habe einen Job für dich.« Er sagte das mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie den Job auch wirklich haben wollte.
    Bis dahin war sich Faye noch nicht einmal sicher gewesen, dass sie sich auf der Suche nach einem neuen Job befand. Das sagte sie auch.
    »Nicht immer wissen wir, was wir wollen«, erwiderte Mica nur.
    Gutes Argument!
    Sein einziger Angestellter hatte gekündigt.
    »Ich habe das Sortiment um Comics erweitert«, erklärte Mica, »und es gab Meinungsverschiedenheiten.«
    Faye sagte: »Okay.«
    Mica nickte und sagte ebenfalls: »Okay!«
    So kam es, dass Faye Archer an diesem Abend spontan Buchhändlerin wurde. Bei dem vermutlich einzigen Buchhändler in Brooklyn, der neben Marvel- und DC-Comics auch noch Chau-Buddhismus, Kung Fu, Yoga und Tai-Chi wichtig nahm.
    »Bei mir gibt es nur richtige Bücher«, erklärte er ihr. »Nur Papier.« Er war für Anfang vierzig erstaunlich altmodisch. »Richtige Bücher bestehen nicht aus Bits und Bytes.«
    Damit konnte Faye gut leben. Richtige Bücher sind eben aus Papier, richtige Musik wird mit richtigen Instrumenten gemacht.
    »Okay«, sagte sie noch mal, und bereits am nächsten Tag kündigte sie den Job als Kassiererin im Macy’s. Kurz darauf fand sie eine neue Wohnung in Brooklyn Heights, mit Unterstützung von Mica, der eine Kundin hatte, die jemanden kannte, der von jemandem gehört hatte, dessen Eltern schon bald eine Wohnung vermieten wollten. So lief das in den meisten Fällen.
    Gleich an ihrem ersten Arbeitstag gab Mica ihr dann einen X-Men-Comic. »Für die Mittagspause!«
    Sie las den Comic.
    »Ich glaube, ich mag andere Bücher lieber.«
    »Es ist gut, wenn man ehrlich ist«, stellte Mica fest.
    Seitdem hatte er nie wieder versucht, ihr einen Comic aufzudrängen. Ihrerseits begab sie sich selten in die Comic-Ecke des Ladens.
    »Bücher haben eine Seele«, pflegte Mica Sagong zu sagen. »Keiner muss die Seele eines Buches suchen. Die Seele des Buches findet den Leser. Das tut sie immer.«
    Faye lächelte bei dem Gedanken an ihre ersten Stunden im Real Books . Sie konnte verstehen, dass die anderen Frauen in dem Yogakurs Abstand zu Mica gesucht hatten. Er sah teuflisch gut aus und war einfach zu verschroben, um keine Gerüchte zu provozieren.
    »Wie findest du ihn?«, hatte Faye ihre Freundin gefragt, nachdem diese sie im Laden besucht hatte.
    »Er ist schräg«, war Danas Meinung gewesen.
    »Interessant?«, hatte Faye sie geködert.
    »Nicht für mich.«
    »Schade.«
    Damit war das erledigt gewesen.
    Ich arbeite bei einem schrägen Shaolin-Koreaner, der Comics und Bücher mag.
    Das Leben selbst konnte manchmal schräg sein. Und das war gut, so jedenfalls sah es Faye Archer.
    Als sie an diesem Morgen dort ankam, im Real Books, war noch kein Kunde im Laden. Alles war ruhig.
    »Du siehst müde aus«, begrüßte Mica sie. Er trug Schwarz, wie immer, und las die New York Times .
    »Ich habe noch komponiert.«
    »Ein trauriges Lied?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ein lustiges Lied. Klingt wie ein Seemannslied, irgendwie.« Sie dachte an den gut aussehenden Matrosen, der ihr damals, als sie vierzehn gewesen war, zugezwinkert hatte.
    »Du und deine Seeleute.«
    Sie grinste. »Du vergisst wirklich nie eine Geschichte.«
    »Ich bin umgeben von Geschichten«, antwortete er. »Ich lebe mitten unter ihnen.«
    Faye wusste, was er meinte.
    Der Buchladen war eine Mischung aus Antiquariat und normaler Buchhandlung. Die Pflanzen, die grün und saftig mit allen möglichen Blätterformen bis unter die Decke wucherten, erweckten den Eindruck, man befände sich in einer Gärtnerei. Es roch milde nach würzigen Räucherstäbchen.
    In den Regalen, an denen Efeu emporrankte – eine von Micas seltsamen Ideen –, standen die Taschenbuchausgaben der aktuellen Romane, eine Ecke weiter die Hardcover. In massiven Holzkisten, wie sie früher auf Schiffen verwendet wurden, die gebrauchten Bücher. Man konnte bequem durch den Laden schlendern und sich alles in Ruhe anschauen. Bunte Teppiche mit
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