Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
paar Tage zuvor hatte sie Tom Daniels erst kennengelernt. Dana hatte ihn ihr vorgestellt; nun ja, eigentlich war Dana diejenige gewesen, die ihn angeschleppt hatte. Das war der zweite Ausdruck, den sie gern benutzt hatte. »Angeschleppt« und »abgeschleppt«, zwei Seiten derselben Medaille, könnte man sagen. Es war irgendwo in Tribeca gewesen, in einer Bar, deren Name Faye nicht mehr einfiel und der auch völlig unwichtig war. Meine Güte! Damals. Das Boatman. Tom Daniels hatte vom ersten Moment an mit ihr geflirtet und sie mit ihm. Sie trafen sich ein paarmal, und dann, in einem anderen Restaurant, das La Boite en Bois hieß, Faye erinnerte sich jetzt wieder daran, hatte er gewartet, bis Dana zur Toilette ging, und verschwörerisch gefragt: »Schaffen wir es auch, uns ohne Dana zu treffen?« Und damit hatte es begonnen. So waren sie im Boatman gelandet, kurz darauf. Sie hatten geflirtet und waren einander nahegekommen, hatten gelacht und getrunken und wenig gegessen. Das Boatman jedenfalls hatten sie als Paar verlassen.
    »Was für eine Überraschung«, hatte Danas Meinung dazu gelautet. Faye hatte zunächst ein schlechtes Gewissen gehabt und sich gescheut, es ihr zu sagen, aber dann hatte sie sich dazu durchgerungen, ehrlich zu sein. »Mach dir nichts draus, Darling. Er passt sehr gut zu dir.«
    Doch darum ging es nicht.
    Faye stieß geräuschvoll den Atem aus.
    Nein, es ging um den Abend im Boatman.
    Wie kann das bloß sein?
    Sie hatten das Restaurant verlassen, und draußen, auf dem Parkplatz, hatte Faye das Buch gefunden. Frühstück bei Tiffany. Genau diese Ausgabe, die eben noch in der Gerümpelkiste gelegen hatte und sie nun anstarrte, als sei sie das Geheimnis, das allem einen Sinn geben würde.
    »Was ist das?«, hatte Tom damals wissen wollen.
    »Ein Buch.« Faye hatte sich gebückt und es aufgehoben. »Ein Roman.« Sie hatte sich zu ihm gewandt und ihm den Titel gezeigt.
    »Kitsch«, hatte Tom grinsend kommentiert.
    Faye hatte nicht auf ihn geachtet. Sie hatte das Buch aufgeschlagen und die erste Seite betrachtet. Auf das Deckblatt hatte jemand etwas gezeichnet. Eine junge Frau, die vor einem Klavier saß. Noten flogen ihr wie Gedanken um den Kopf.
    »Da steht eine Widmung«, hatte sie gesagt.
    »Hm.«
    »›Manche Geschichten‹«, hatte sie Tom vorgelesen, »›sind wie Melodien.‹«
    »Hört sich nett an.«
    »Warum wirft das jemand weg?« Sie hatte sich umgeschaut, aber da war niemand gewesen. Nur das Taschenbuch. Keine Menschenseele weit und breit. Der Parkplatz so gut wie leer.
    »Lass uns gehen.« Tom hatte seine Arme von hinten um sie geschlungen und ihren Nacken geküsst.
    »Warum liegt so ein Buch im Dreck?« Es hatte ausgesehen wie ein Geschenk.
    Tom hatte nur gesagt: »Das klingt sehr romantisch.«
    Sie hatte gelächelt, das Buch zugeklappt. »Ja.«
    »Es sieht alt aus«, hatte Tom gemeint und an ihrem Ohrläppchen geknabbert. »Komm, lass uns gehen«, hatte er abermals vorgeschlagen.
    Sie hatte das Buch eingesteckt.
    »Du nimmst es mit?«
    Sie hatte die Achseln gezuckt. »›Manche Geschichten sind wie Melodien.‹« Das hatte schön geklungen.
    Mehr aber auch nicht.
    Es war nur ein schöner Spruch, damals, eine nette Widmung, gerichtet an jemanden, den sie nicht kannte. Sie hatte überlegt, ob sie das Taschenbuch im Boatman abgeben sollte, hatte sich aber dagegen entschieden. Niemand würde es dort abholen. Also hatte sie es behalten.
    Und dann? Das Buch war in ihrem Regal gelandet, eine Zeit lang, und dann irgendwann, als sie von Queens nach Brooklyn Heights umgezogen war, in der Gerümpelkiste, zusammen mit all dem anderen Zeugs, und dort war es einfach in Vergessenheit geraten. Es war unwichtig gewesen, nur ein Taschenbuch, das sie gefunden hatte, zufällig, an einem Abend, den sie ebenfalls, mit der Zeit, vergaß. Dinge gerieten nun mal sehr schnell in Vergessenheit, so war das im Leben. Genau wie Beziehungen.
    Aber das hier …
    »Das kann nicht sein.«
    Ihre Hände zitterten noch immer.
    Die Zeichnung!
    Die Unterschrift.
    »Alex.«
    Es war seine Handschrift, jeder Zweifel ausgeschlossen.
    Nein, nein, NEIN . Das war unmöglich. Es musste ein Trick sein.
    Sie erinnerte sich an das, was er ihr im Prospect Park gesagt hatte.
    »Draußen werfe ich das Buch weg. Irgendwohin. Mitten in die Gegend. Einfach so. Weg damit. Danach habe ich mich betrunken.«
    Sie hatte gefragt: »Warum bist du nicht in den Laden gekommen?« Und Alex hatte geantwortet: »Am nächsten Tag habe ich im Real Books
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher