Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Das Bild war unscharf und von Streifen durchzogen. Irgendjemand musste eine verstaubte alte Kopie aus einem Keller geschmuggelt haben. Danny hatte recht. Diane war überwältigend. Erst musste er den Schock überwinden, sie zu sehen und ihre Stimme zu hören, aber dann war er gefesselt. Er hatte angenommen, dass der Anblick des Mannes, den er umgebracht hatte, alle möglichen düsteren Gefühle heraufbeschwor, aber dem war nicht so. Vielleicht, weil er den Deckel der Vergangenheit gelüftet und es Danny erzählt hatte. Oder vielleicht einfach nur, weil der Film so schlecht war. Rays Darbietung war lächerlich, beinahe so lächerlich wie Terry Redfields Bemühungen, ihn aus dem Film herauszuschneiden.
    Als er Gina von Diane erzählte, war sie am Boden zerstört. Nicht so sehr von der Geschichte selber als von der Tatsache, dass Tom sich nie in der Lage gesehen hatte, sie ihr anzuvertrauen. Sie weinte, umarmte ihn und sagte immer wieder, wenn sie es doch nur gewusst hätte.
Wenn doch nur
. Tom bat sie nicht, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Hätte es wirklich etwas |361| geändert zwischen ihnen, wenn sie die Wahrheit gekannt hätte? Er bezweifelte es. Es sei denn, sein Geständnis hätte ihn verändert. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie quälend es für ihn gewesen war, das all die Jahre zu verheimlichen. Derartige Geheimnisse waren wie ein Krebsgeschwür. Sie gediehen auf Scham und Schuld, brachten eine Angst hervor, die an den Eingeweiden nagte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Tom das Gefühl, dass Frieden über ihn kam.
    Danny ging es anscheinend ähnlich. Er zog mit Kelly und dem kleinen Thomas nach Bozeman, wo er sein Studium an der Montana State aufnahm. Ein paar Monate später gebar Kelly Zwillinge, Rebecca und Diane. Einmal im Monat besuchte Tom sie, oder sie kamen übers Wochenende nach Missoula.
    Er kaufte Danny eine neue Angel, und eines Juniabends machten sie sich auf. Der Himmel färbte sich orange, und die Fliegen tanzten über dem Wasser. Forellen sprangen aus dem Fluss, trotzdem hatten Danny und er kein Glück. Sie verstauten die Angelruten, setzten sich ans Ufer und betrachteten die Spiegelung des Himmels im Wasser.
    »Erinnerst du dich an unsere Kanufahrt, bei der wir kenterten?«, fragte Danny.
    »Wie sollte ich das vergessen?«
    »Jahrelang fühlte ich mich schlecht, als sei es meine Schuld gewesen.«
    »
Deine
Schuld?«
    »Ja. Wenn ich schon besser hätte paddeln können oder aufmerksamer gewesen wäre, dann wären wir nicht umgekippt.«
    »Du warst noch nicht einmal fünf Jahre alt.«
    »Ich weiß, aber ich saß nur da wie ein Trottel und sah zu, wie es passierte.«
    »Oh, ich habe noch jede Sekunde vor Augen. Ich kann einfach nicht vergessen, wie du an die Oberfläche kamst und als Erstes sagtest: ›Daddy, geht es dir gut?‹«
    |362| »Du sahst so besorgt aus.«
    »Ich hatte Angst, du wärst ertrunken.«
    Sie schwiegen eine Zeitlang. Die Bergkuppen im Osten erglühten im letzten Sonnenlicht.
    »Das war wohl das Ende zwischen dir und Mom, oder?«
    »Ja. Sie hielt es noch ein paar Jahre aus, blieb länger, als ich es verdient hatte. Deine Mutter ist eine wunderbare Frau. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich diese Jahre mit ihr hatte.«
    »Neulich hat sie gesagt, wie schön es sei, dich endlich glücklich zu sehen.«
    »Wirklich? Na ja, es stimmt. Das bin ich.«
    Er lächelte, den Arm um seinen Sohn.
    »Ich wäre noch glücklicher, wenn wir einen dieser blöden Fische fangen würden.«
    Toms neues Glücksgefühl war wie ein Paar neuer Schuhe, die noch eingelaufen werden mussten. Er wollte nicht darüber nachdenken, für den Fall, dass dieses Gefühl plötzlich davonflog.
    Das ganze letzte Jahr über hatte er viel Zeit mit Karen O’Keefes Mutter Lois verbracht. Sie hatte den ersten Schritt getan, hatte recht mit der Vermutung gehabt, dass, wenn sie es ihm überließ, nichts passieren würde. In der Stadt war ein Filmfestival, und einer der Veranstalter, ein Freund von ihr, hatte ihr eine Eintrittskarte gegeben. Sie sahen
Pierrot le Fou
. Auf dem College hatte ihnen der Film gefallen. Der Film war so schlecht, sie gingen nach der ersten halben Stunde und lachten über sich beim Abendessen.
    »Wie konnte uns so etwas um Himmels willen gefallen?«, fragte Tom. »Ich meine, haben wir uns verändert, oder ist es die Welt, die sich verändert hat?«
    »Wir mögen alle möglichen Dinge, wenn wir jung sind. Ich meine, sieh dir doch nur mal alte Fotos an, was wir für Klamotten anhatten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher