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Die Wilden Hühner

Die Wilden Hühner

Titel: Die Wilden Hühner
Autoren: Cornelia Funke
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da in der Schublade.« Ungeduldig zeigte Sprotte auf den Küchenschrank. Fred sprang auf und holte sie.
    »Na, dann kann's ja endlich losgehen.« Sprotte riss ihren Arm los, drehte sich um und verschwand in der Tiefe. Fred leuchtete ihr, bis sie unten war, und folgte ihr dann. Als Nächste stieg Melanie hinab, dann Torte.
    »Ist da unten überhaupt noch Platz?«, rief Steve die Leiter runter.
    »Soll das ein Witz sein?«, rief Torte zurück.
    Steve sah Frieda an und grinste verlegen.
    »Na dann«, sagte er und auch die beiden kletterten hinab in Oma Slättbergs verborgenen Keller.

    Ratten waren keine da. Nur Spinnweben, so groß wie Handtücher - und eine Truhe, die zwischen zwei uralten, halb verschimmelten Koffern in einer Ecke stand. »O Gott, mein Herz bleibt stehen!«, flüsterte Trude. »Der Schatz.«
    »Mann!«, stöhnte Steve. »Ein echter, richtiger Schatz.« »Gold«, flüsterte Torte. »Silber, Diamanten.« 
    »Aber glaubt nicht, dass ihr was abkriegt!«, sagte Melanie. »Das ist unser Schatz, klar?«
    »Wieso?«, fragte Torte ärgerlich. »Wenn Steve die Kanne nicht umgekippt hätte, hättet ihr die Luke doch nie gefunden.«
    »Halt den Mund, Torte«, sagte Fred. »Der Schatz gehört den Mädchen.«
    Schmollend kniff Torte die Lippen zusammen. 
    Vorsichtig schlichen die sieben Kinder auf die Truhe zu - als erwarteten sie, dass plötzlich ein Gespenst hinter ihr hervorschwabbelte oder eine Bande wild gewordener Fledermäuse sich auf sie stürzte. Aber nichts passierte. 
    Die Truhe musste schon sehr, sehr lange da stehen. Der dicke Staub auf ihrem Deckel sah aus wie schmutziger Schnee.
    Sprotte zog den Schlüsselbund, der immer noch voll Schlamm war, aus der Tasche und suchte den schwarzen Schlüssel heraus. Sorgfältig rieb sie die getrocknete Erde von seinen Zähnen, während die andern ungeduldig auf ihren Lippen oder Fingernägeln herumkauten.
    »Und wenn eine Leiche in der Truhe ist?«, fragte Steve nervös.
    »Quatsch, du alter Angsthase!« Torte kicherte. »Die würdest du garantiert riechen. Aber vielleicht schläft ja ein
    Vampir da drin und - aaaaaaaarrrghh! -«, er packte den armen Steve an der Kehle, »beißt uns alle, wenn wir den Deckel aufmachen.« 
    »Laß los!«, krächzte Steve.
    »Hör auf mit dem Quatsch«, sagte Fred ärgerlich. 
    Sprotte kniete sich vor die Truhe und steckte den schwarzen Schlüssel in das Schloss. Ein bisschen rostig war es. Fred, Trude und Torte richteten ihre Taschenlampen auf den Truhendeckel.
    »Der Schlüssel passt!«, flüsterte Sprotte. Die andern drängten sich so dicht um sie herum, dass sie kaum noch ihren Arm bewegen konnte.
    »He, ich krieg ja keine Luft mehr!«, sagte sie. »Geht mal einen Schritt zurück.«
    Widerstrebend gehorchten die andern. 
    Als Sprotte den schwarzen Schlüssel herumdrehte, knackte das Schloss und schnappte auf. Vorsichtig hob Sprotte den schweren Deckel. Hastig richtete Fred die Taschenlampe auf das Innere der Truhe.
    Zwei Leute schauten sie an. Ein Foto. Ein großes Hochzeitsfoto in einem angelaufenen Rahmen. Das Paar war noch sehr jung. Der Bräutigam hatte einen blonden Schnurrbart mit einem ernsten kleinen Mund darunter. Und er trug eine Uniform. Die Frau lächelte. Die beiden sahen die Kinder an, als hätten sie darauf gewartet, dass die Truhe sich endlich wieder öffnete.
    »Oh, Mann. Von wegen Schatz«, sagte Torte enttäuscht.
    »Nicht mal ein Vampir. Nur ein blödes Foto.«
    Die andern sagten gar nichts. Die Leute auf dem Foto sahen
    sie an. Sprotte nahm das Bild vorsichtig heraus. »Das ist
    meine Oma!«, murmelte sie.
    »Und dein Opa, schätze ich!«, sagte Fred.
    Sprotte fuhr mit dem Finger über die Gesichter. »Ich hab noch nie ein Foto von ihm gesehen«, sagte Sprotte leise. »Er sieht aus wie meine Mutter.«
    Sie legte das Foto auf ihren Schoß und beugte sich über die offene Truhe.
    »Ein Hochzeitskleid«, sagte sie tonlos und strich über den knisternden Stoff. Ganz steif fühlte er sich an. »Und Anzüge und Strümpfe und Hemden. Sogar Schuhe sind da. Und«, sie hob einen der Anzüge an, ein paar Mottenkugeln rollten heraus, »da drunter sind Briefe. Mit bunten Bändern zusammengebunden.«
    »Liebesbriefe«, flüsterte Melanie.
    »Oi, lass mal sehen«, sagte Torte und streckte die Hand nach den blassgelben Umschlägen aus.
    »Finger weg!« Wütend stieß Sprotte seine Hand zur Seite.
    »Die gehen dich überhaupt nichts an.«
    »Au«, maulte Torte. »Stell dich doch nicht so an.«
    »Lass sie in Ruhe!«,
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