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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes
Autoren: Ulrich Hefner
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es«, drang Larsens Stimme aus dem Lautsprecher. »Ich habe nur wenig Geld. War Rike schon bei dir? Hast du ihr den Brief gegeben?«
    »Rike? Mensch, Junge, ich habe andere Sorgen. Bei mir ist gerade eingebrochen worden. Alles durchwühlt. Sogar das Sofa haben die Kerle aufgeschnitten.«
    »Hast du überhaupt schon mit ihr gesprochen?«
    »Junge, ich sagte doch, ich habe gerade andere Sorgen.«
    Ein greller Signalton unterbrach Corde. Er schaute ratlos auf das Display. Das Gespräch war abgebrochen. Corde ging kopfschüttelnd zurück in das Zimmer.
    Der Polizist packte den Fotoapparat wieder ein. »Sie gehen mit der Zeit und haben ein Handy«, stellte er überrascht fest.
    Corde lächelte. »Ich mache im Sommer Kutterausflüge ins Watt und wenn der Herbst kommt, fahre ich Gesellschaften oder einzelne Fahrgäste, manchmal auch Waren hinaus auf die Inseln. Ein Handy ist da Gold wert. Ich bin nicht oft hier zu Hause.«
    Der Polizist deutete mit dem Kopf an die Decke. »Dann werde ich mich jetzt mal um das Chaos dort oben kümmern. Aber ich will Ihnen keine Hoffnungen machen. Spuren habe ich nicht gefunden. Wahrscheinlich trugen sie Handschuhe.«
    Corde nickte und griff sich an den rechten Arm. Die Schmerzen kehrten langsam zurück.
    *
    Larsen legte nachdenklich den Hörer zurück auf die Gabel. Hatte er richtig gehört? Hatte Onkel Hilko wirklich gesagt, dass bei ihm eingebrochen worden war? Larsen suchte nach Kleingeld, doch außer einem Zehnmarkschein in der Hosentasche hatte er nichts bei sich. Er musste unbedingt zurück aufs Festland, aber die Frachtfähre würde erst morgen früh wieder anlegen. Und das auch nur, wenn sich das Wetter nicht wieder verschlechterte.
    Er rieb mit den Fingern über den Zehnmarkschein. Hing der Einbruch bei Corde mit dem angeblichen Forschungsschiff zusammen?
    Er überlegte, ob er das Geld wechseln sollte. Er wollte mit Rike telefonieren. Larsen ging zu dem kleinen Laden an der Ecke. Im Sommer tummelten sich in dieser Straße die Touristen, da gab es nicht einmal Sitzplätze in den Straßencafés. Jetzt wirkte das Dorf wie ausgestorben.
    Hatte Töngen recht? Suchten die Kerle im Boot tatsächlich nach ein paar versenkten Containern mit Rauschgift oder sogar nach radioaktivem Material? Wenn die Russenmafia dahintersteckte, hätten die längst herausgefunden, wem der Kutter gehörte, von dem sie dort draußen abseits des Mellumer Fahrwassers im Roten Sand beobachtet worden waren. Schließlich stand der Name Molly in großen Lettern am Bug. Wenn sie in Hilkos Haus eingebrochen waren, dann hatten sie sich bestimmt auch schon den Kutter vorgenommen. Ob sie das Versteck gefunden hatten? Er schüttelte den Kopf. Nein, das Versteck auf dem Kutter war einfach zu gut, nicht einmal Hilko selbst würde es entdecken. Die Beute seines nächtlichen Besuches auf dem Kreuzer musste ja sehr wichtig für die Kerle sein, wenn sie danach suchten. Welches Geheimnis verbarg sich dahinter? Wenn ihm jemand helfen konnte, dann war es Rike. Doch die trieb sich in dem Greenpeace-Camp rum und spielte Umweltaktivistin.
    Manchmal fand er sie naiv. Sie glaubte noch immer, dass man mit Sprüchen und Protestaktionen die Welt verändern konnte. Doch auf der anderen Seite war sie intelligent. Und stark. Er erinnerte sich noch daran, wie sie einem aufdringlichen Verehrer mit ihren fernöstlichen Kampfkünsten fast den Arm gebrochen hatte. Du frigide Zicke, hatte der Kerl sie angebrüllt, als er in der schlammigen Pfütze lag, nachdem sie ihn mit einem eleganten Fußfeger zu Boden gebracht hatte. Rike war weder frigide noch war sie ein Mannweib, wie die anderen Kerle aus der Gruppe damals behauptet hatten. Sie wusste, was sie wollte. Vielleicht fehlte sie ihm auch deshalb so sehr. Er musste unbedingt mit ihr reden.
    Die Ladenglocke bimmelte zweimal, der Verkaufsraum war leer. Bier und etwas zu essen brauchte er jetzt. Dafür genügte sein Zehnmarkschein, aber wenn er danach noch mit Rikes Handyanschluss telefonieren wollte, würde es kaum für ein »Hallo, wie geht’s dir« reichen. Sinnlos.
    Morgen würde er diese Insel verlassen. Er musste in Erfahrung bringen, was es mit diesem ominösen Einbruch auf sich hatte. Vielleicht war alles nur ein dummer Zufall.

2
    Sie kamen im Schutz der Dunkelheit. Seit Stunden hatten sie das schäbige Haus in der Ahrstraße belauert, wo der ehemals weiße Putz graue Ränder trug und von der Wand bröckelte.
    Die hölzerne Eingangstür war unverschlossen. So wie an jedem Tag. Sie waren
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