Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Bewegungen verrieten deutlich mehr Kraft und Elan, als man
bei einem Mann seines Alters erwarten konnte.
Er stand auf und trat um den Schreibtisch herum auf sie zu. »Andrej
Delãny, nehme ich an?« Von Salm streckte in einer unerwartet
freundlichen Geste die Hand aus und beantwortete seine Frage mit
einem Nicken und etwas, das er möglicherweise für ein Lächeln
hielt.
»Das ist richtig.« Andrej griff nach von Salms ausgestreckter Rechten und registrierte überrascht, wie kraftvoll der Händedruck des alten Mannes war. Gleichzeitig deutete er mit der freien Hand auf Abu
Dun. »Das ist Abu Dun. Mein Freund und Weggefährte.« Irrte er
sich, oder war in von Salms Blick ganz kurz ein Ausdruck von Missbilligung erschienen, als er den Ausdruck Freund vernahm?
»Ja, richtig«, antwortete von Salm. »Ich habe von ihm… gehört.«
Er ließ Andrejs Hand los, trat einen halben Schritt zurück und fuhr -
nun wieder vollkommen beherrscht und in verändertem Ton - fort:
»Ich bin Niklas von Salm. Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung
gefolgt seid.«
»Wir konnten ihr einfach nicht widerstehen«, sagte Abu Dun spöttisch. Von Salm sah ihn verständnislos an, und Abu Dun fügte mit
einer knappen Geste in Richtung der Tür hinzu: »Die Boten, die Eure
Einladung überbracht haben, waren sehr überzeugend.«
»Man hat Euch doch gut behandelt, hoffe ich?«, fragte von Salm.
»Ich habe ausdrücklich Anweisung gegeben…«
»Und sie wurde auch befolgt«, fiel ihm Andrej hastig ins Wort.
»Nehmt Abu Dun nicht zu ernst. Das Betragen Eurer Männer war
tadellos.«
Von Salm lächelte. »Umso mehr freut es mich, dass Ihr gekommen
seid. Ich habe viel über Euch gehört, Delãny, und auch über Euren…
Freund. Seit Tagen erreichen mich Nachrichten von den zwei fremden Kriegern, die mit einem beispiellosen Heldenmut auf den Mauern gekämpft haben, sodass ich euch unbedingt kennen lernen wollte.«
»Das habt Ihr ja nun«, sagte Abu Dun. »War das der einzige Grund
für Eure Einladung?«
Andrej musste sich beherrschen, um Abu Dun nicht in scharfem
Ton zurechtzuweisen, aber von Salm schien dem Nubier seine spitze
Zunge nicht übel zu nehmen.
Er blickte einen kurzen Moment lang erstaunt, dann begann er leise
zu lachen. »Ihr gefallt mir, Heide«, sagte er in einem Ton, der dem
Abu Duns ähnelte. Gleichzeitig machte er eine besänftigende Geste
in Andrejs Richtung. »Ich bin schon so lange nur noch von Kriechern
und Jasagern umgeben, dass ich offene Worte zu schätzen weiß.
Kommt und setzt Euch. Ihr müsst mir alles über Euch erzählen. Wer
seid Ihr und woher kommt Ihr? Was genau führt Euch nach Wien?«
Er deutete mit der Hand auf einen großen, reich gedeckten Tisch,
der vor dem Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers
stand. »Kommt. Nehmt doch Platz. Ich dachte mir, dass ihr nach einem Tag wie diesem einer kräftigenden Mahlzeit nicht abgeneigt
seid.«
»Das ist sehr freundlich von Euch, Graf«, antwortete Andrej, aber
von Salm winkte hastig ab.
»Ich bitte Euch, lasst den Grafen, Andrej«, bat er lächelnd. »Ein ererbter Titel, aus dem ich mir nie besonders viel gemacht habe. Alles,
was er mir eingebracht hat, ist Ärger - und die Gesellschaft von Leuten, deren Bekanntschaft ich sonst niemals hätte machen müssen.« Er
lächelte schief. »Beinahe hätte ich es vergessen: und die zweifelhafte
Ehre, diese Stadt vor dem sicheren Untergang zu retten.«
Andrej lächelte pflichtschuldig zurück, aber er warf Abu Dun auch
einen beunruhigten Blick zu, während er auf einem der Stühle Platz
nahm, die von Salm ihnen angeboten hatte. Sein Misstrauen war keineswegs besänftigt. Der Graf gab sich jovial und bemühte sich, den
Eindruck zu erwecken, als wolle er ihnen für ihren Einsatz danken,
aber da war etwas in seinen Augen, das Andrej warnte. Er spürte,
dass von Salm andere Gründe für sein Interesse an ihnen hatte. Abu
Dun erwiderte Andrejs Blick kaum merklich. Er hatte verstanden.
»Greift doch zu.« Von Salm wedelte aufgeregt mit beiden Händen.
»Der Braten ist köstlich, und falls Euch der Sinn nach Süßem steht,
rate ich Euch, die Biskuits zu kosten. Ihr werdet sehen, dass die Wiener Konditoren ihren Ruf zu Recht genießen. Und probiert auch von
dem Wein. Ein hervorragender Tropfen. Rot und schwer wie Blut,
aber weitaus schwerer zu bekommen in Zeiten wie diesen. Bitte erweist mir die Ehre, einen Becher mit mir zu leeren. Mancher würde
töten, nur um einen Schluck dieses edlen Getränks zu bekommen,
und ich könnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher