Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
Autoren: Arnulf: Zitelmann
Vom Netzwerk:
selbst ansieht, leuchtet nicht, wer sich recht gibt, den liebt man nicht, wer sich rühmt, den ehrt man nicht, wer
     sich zur Schau stellt, wird niedergemacht. Im Blick aufs Tao gilt: Schlemmen, dicke Spesen, verachten die anderen Wesen, wer
     auf solchen Dingen beharrt, ist fern von Tao-Art.«
    Die große Krise kommt, warnte Laotse. Sie kam schleichend, fast unmerklich: »Die Tao-Art ging verloren, so kamen Moral und
     Ordnung auf, Berechnung und Schlauheit stellten sich ein, so entstanden die großen Lügen, die Blutsverwandtschaft löste sich
     auf, seitdem fordert man Kindesehrerbietung, der Staat versinkt in Anarchie, und man verlangt von Untertanen Ehrlichkeit.«
     Die Oberschicht störte das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang, indem sie dem rein Männlichen folgte und dem Volk Anarchie,
     Gewalt, Ausbeutung und Armut bescherte. Deshalb hat sie den Anspruch auf die Herrschaft verwirkt: |26| »Würden Adel und Fürsten nach Tao-Art leben, räumte man freiwillig ihnen die Herrschaft ein. Himmel und Erde vereinigten sich,
     süßen Regen herabzusenden, und zwanglos kehrten die Menschen zur Eintracht zurück.« Ich sehe in unserer heutigen demokratischen
     Ordnung auch die Erfüllung von Laotses fernem Traum. Sie ist schließlich die einzige Regierungsform, die mit möglichst wenig
     Gewalt auskommt, weil wir den Gewählten freiwillig die Regierung anvertrauen. Das Gegenteil, die »große Lüge« der Hitlerzeit,
     habe ich noch deutlich vor Augen. Gerade deshalb weiß ich die Demokratie so sehr zu schätzen.
    Konfuzius begegnet dem Drachen
    Laotses Worte waren nicht in den Wind geschrieben. Sie wurden zur Magna Charta chinesischer Nonkonformisten und Einzelgänger.
     Immer wieder war es die Philosophie des Taoismus, die in ihren ungezählten Spielarten das Denken in China durchkreuzte und
     dabei oft genug als »Befreiungstheologie« auftrat. Die Taoisten haben den wechselnden Regierungen in der reichen Geschichte
     Chinas häufig das Fürchten gelehrt. In den Bauernkriegen der »Gelben Turbane« brachten sie sogar eine ganze Dynastie, die
     der ruhmreichen Han-Kaiser, in Bedrängnis.
    Während der Han-Dynastie (202 vor unserer bis 220 nach unserer Zeit) erfanden die Chinesen das Papier. Der Überseehandel blühte.
     Die legendäre Seidenstraße wurde bis an den Persischen Golf durch chinesische Armeen abgesichert. Die militärische Expansion
     überforderte allerdings die Finanzkraft des Reichs der Mitte, sodass die chinesischen Bauern bald unter der Steuerlast stöhnten.
     So kam es im Jahr 184 nach unserer Zeit zur Revolution der »Gelben Turbane«. Die Farbe der Turbane unterstrich die Entschlossenheit
     der Rebellen: Sie wollten »den blauen Himmel«, ein Symbol für den Thron der Han-Kaiser, durch den »gelben Himmel« einer besseren,
     taoistisch geprägten Welt ersetzen. Die führenden Generäle trugen Namen, die dem Harmoniegedanken ihrer Religion entsprachen.
     Sie nannten sich »General des Himmels«, »General der Erde«, »General der Menschheit« und verkörperten so den Gleichklang von
     Himmel, Erde und Mensch nach Tao-Art. Innerhalb von neun Monaten wurde der Aufstand zerschlagen, kleinere Gruppen setzten
     ihren Widerstand jedoch noch über Jahre hinweg fort. Taoistisch inspirierte Aufstände flackerten danach immer wieder in Chinas
     Geschichte auf, einer ihrer Anführer erklärte sich sogar zu einer Inkarnation des »Gottes Laotse«, und heutzutage macht die
     »Falon-Gong-Sekte«, |27| die ebenfalls taoistisch inspiriert ist, der Regierung in Peking zu schaffen.
    Chinas Regierungen hielten es darum lieber mit dem Konfuzianismus. Möglicherweise war Konfuzius ein Zeitgenosse Laotses. Nach
     der Legende sollen sich beide sogar begegnet sein. Der taoistische Weise ließ Konfuzius abblitzen, denn dieser beabsichtigte,
     das Verhalten der Menschen völlig zu reglementieren, eine Idee, die dem Freiheitsdenken Laotses missfallen musste. »Das alles
     sind Dinge, die keinem nutzen«, urteilte er. »Mehr habe ich nicht zu sagen.« Konfuzius kehrte heim und sagte seinen Schülern:
     »Der Drache lässt sich mit Gedanken nicht fassen. Er schwingt sich auf Wind und Wolken himmelwärts. Heute habe ich Laotse
     gesehen. Er ist ein Drache.«
    Die Konfuzianische Lehre wurde einige Jahrhunderte nach dem Tod des großen Lehrers zur Staatsdoktrin erklärt. Wichtig sind
     Konfuzius Sitte und Anstand |28| vor allem in den folgenden Beziehungen: zwischen Herrscher und Untertanen, zwischen Mann und Frau, zwischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher