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Die Weltenwanderer

Die Weltenwanderer

Titel: Die Weltenwanderer
Autoren: Liane Sons
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pries »Martinsbrezel nach Omas Rezept« zum Jubelpreis von fünfundsiebzig Cent an. Eine Digitalanzeige über dem Sonderangebot klärte darüber auf, dass es 06:12 Uhr und -2° Grad kalt war.
    Dem Stolz Waldsees, einem uralten, blau angestrahlten Kirchturm mit Glocke, jedoch ohne Kirche, gönnte er keinen Blick. Er gähnte herzhaft, bog von der Hauptstraße ab, und der Wagen holperte über Kopfsteinpflaster. Hörbar knirschte er mit den Zähnen.
    Zu seiner Rechten erstreckte sich der See, zu seiner Linken eine Häuserreihe. Er passierte die Bäckerei, fuhr an
Lisas Teestübchen
und
Bücherladen Justus
vorbei bis hin zum
Salon Hagedorn
. Das große Schaufenster links zeigte auf Postern modisch frisierte Damen und bot als Rundum-Service noch Kosmetik- und Nagelstudio an. Im kleinen Fenster rechts stand lediglich ein Schild: Herrenhaarschnitt (trocken): 7,00 Euro.

    Er stellte den Wagen ab und ging zur Eingangstür. Sein Finger verharrte über der Klingel. Er überlegte, schüttelte den Kopf, strich übers Schloss, hörte das gewünschte Klickklack und drückte die Tür auf. Kaum im Laden verschloss er sie mit dem innen steckenden Schlüssel wieder. Zielstrebig suchte er die Teeküche auf. Von dort stieg die Treppe zu den Privaträumen hoch. Vor einem Raum, aus dem Schnarchen drang, blieb er stehen und öffnete die Tür. Zwei Schritte und er stand am Bett.
    Platt auf dem Rücken liegend hatte der Frisör die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Nackte Füße ragten am unteren Ende heraus.
    Unter das Schnarchen mischten sich Pfeiftöne, die die Frau neben ihm von sich gab.
    Von der sah van Rhyn allerdings nur den Hinterkopf. Er beugte sich über den Frisör und legte dem die Hand auf den Mund. Augenblicklich ging ein Beben durch den Körper, Augen wurden aufgerissen. Van Rhyn hielt ihm seinen Ring davor und ließ einen winzigen Lichtball erscheinen.
    Der Frisör nickte erleichtert. Aeneas verließ das Zimmer.

    Er musste nicht lange warten. Im blauen Morgenmantel mit chinesischen Drachen stand Herr Hagedorn vor ihm und raunte: »Immer gern zu Diensten, mein Lord, aber gewöhnt Euch bitte gar nicht erst an, mich derart zu erschrecken. Mir wäre fast das Herz stehen geblieben.«
    Er verknotete den Gürtel überm Bauch und orakelte: »Ich geh mal davon aus, dass Ihr keinen Haarschnitt wollt, obwohl Ihr dringend einen nötig hättet.«
    Sein früher Besucher schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit sicher nicht. Ich entschuldige mich in aller Form für den Überfall, wollte nur größere Aufmerksamkeit vermeiden.« Sein Gesichtsausdruck wurde verlegen.
    Der Frisör lachte leise. »Ich weiß, was Ihr meint. Meine Frau ist ein Goldschatz, hat das Herz auf dem rechten Fleck, ihre Zunge jedoch nicht unter Kontrolle. Sie gibt allerdings alles nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit weiter: so von Frau zu Frau!« Er lachte erneut. »Deshalb vertrauen ihr auch alle alles an: so von Frau zu Frau! Aber jetzt zu Euch: Was kann ich für Euch tun?«
    Van Rhyn hielt ihm eine blutverschmierte Hand hin. »Streifschuss! In jeder Notaufnahme müsste ich Erklärungen abgeben, und Sie sind der beste Heiler weit und breit.«
    Der Frisör nickte. »Solange die Kugel nicht steckt, wird das zu machen sein. Wir sollten die Lampen nicht brennen lassen. Die Bäckerei liefert gleich die Brötchen aus. Wenn Ihr keine Aufmerksamkeit wollt, macht Euer kleines Licht und kommt mit!«

    Der gewünschte Lichtball erschien. Frisörmeister Hagedorn eilte durch den Flur, durch den Herrensalon und von dort aus eine Treppe tiefer in den Keller. An der Rückwand des Wäschekellers, in dem sich gefaltete und frisch duftende Handtücher türmten, öffnete er eine schwere Tür. Er knipste Licht im Raum dahinter an, der lediglich einen Schrank, eine Liege, einen Tisch und drei Stühle beherbergte.
    »Die Mauern sind wie das Herrenhaus mit Merkurstaub bestrichen. Hab ich mir extra von Rhanmarú schicken lassen, weil ich auch lieber im Geheimen Magie anwende. Einen Marú will ich hier nicht haben. Sitzen oder liegen? Ich überlass es Euch.«
    »Wenn ich mich hinlege, schlafe ich garantiert ein.« Van Rhyn zog die Jacke aus und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Mittlerweile schoss der brennende Schmerz nicht nur bei jeder Bewegung durch den Arm, sondern loderte vor sich hin. Nur um sich abzulenken, fragte er: »Haben Sie hier viel zu tun?«
    Der Frisör zog einen Stuhl heran, setzte sich dem Ringlord gegenüber hin, wickelte die Spitzenservietten ab, murmelte beim Anblick
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