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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Autoren: John Doyle
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spontanen Schmerz des »Nackenkneifers« kamen ihre anderen Foltermethoden nicht heran. Er war in seiner Intensität unvergleichlich. Deshalb trägt mein spontaner Nackenschmerz nun den Namen »Brenda Lee«.

    Aber heute fühlt sich der Schmerz anders an. Er ist zwar permanent da, traktiert mich aber auch immer wieder mit kleinen Spitzen oberhalb des vierten oder fünften Rückenwirbels, also irgendwo zwischen Schultern und Becken.
    Das ist neu, diese Mischform aus Spontanität und Kontinuität. Ich weiß noch nicht, wie ich diesen neuen Schmerz nennen soll. Auf jeden Fall hat er einen großen Namen verdient. »Vlad Dracul« vielleicht oder »Vera int Veen«. Irgendetwas Großes und Böses auf jeden Fall. Unabhängig davon verdient ein so neuer und intensiver Schmerz auch einen neuen Orthopäden. Einen, mit dem ich noch nicht per Du bin.
    Meine Wahl fiel auf Dr. med. H.H. Schröder. Ich kannte ihn nicht, und er wurde mir nicht als »der beste Orthopäde von allen« empfohlen. Da mir aber auch die »besten von allen Orthopäden« nicht helfen können, war es sowieso schnurz, wem ich von meinen Schmerzen erzählte. Warum also nicht Dr. med. H.H. Schröder?
    Weil ich Privatpatient und damit auspressbar bin, bekam ich sofort einen Termin. Ich musste auch nicht im Wartezimmer sitzen und die »Bunte« lesen, sondern wurde gleich in einen Behandlungsraum geführt, um dann dort eine Stunde auf Dr. med. H.H. Schröder zu warten. Um die Wartezeit zu überbrücken, las ich ein wenig im »Pschyrembel – Klinisches Wörterbuch«, das Gesundheitslexikon der Ärzte.
    Für einen Hypochonder, der ich zweifelsohne bin, ist dieses Buch so eine Art Bibel. Mehr Informationen über Krankheiten, die man alle noch bekommen kann, erhält man nirgendwo sonst. Leider betrat Dr. med. H.H. Schröder, gerade als ich mich mit dem Gedanken an eine »Perianalthrombose«, zu deutsch: Arschgeschwür, angefreundet hatte, den Raum. Typ Tennisspieler mit Kleinfamilie, also eher
Cayenne-
als
911 er-Besitzer.
    Bevor er etwas zu mir sagen konnte wie: »Was kann ich für Sie tun, Herr Dolly?«, war ich auch schon komplett ausgezogen.
    »Herr Dolly, es reicht, wenn Sie sich obenrum freimachen. Oder schmerzt es auch im Schritt?«
    Er lachte, ich wurde rot und zog die Hose wieder an. Dann begann das übliche Abtasten mit kurzen Foltereinlagen – also drücken, wo es besonders weh tut –, und es folgte das übliche Statement: »Herr Dolly, Ihr Schmerz ist undefinierbar.«
    »Undefinierbar« ist für einen Orthopäden das, was »Mutter« für einen Psychologen ist oder die »Spannungen im Gewebe« für den Osteopathen. Er könnte auch sagen:
    »Herr Dolly, ich habe keinen blassen Schimmer, was das für Schmerzen sind und wo die herkommen könnten! Ich hab zwar Medizin studiert und behandele seit Jahren Patienten wegen solcher Schmerzen, aber fragen Sie mich nicht, warum!«
    Stattdessen sagte er: »Der Schmerz ist undefinierbar.«
    Und im Anschluss wurde dann wie immer eine Therapie verschrieben. Egal, um was für einen Schmerz es sich handelt und wo auch immer die Ursache sitzt: Zuerst gibt es eine Spritze, dann Krankengymnastik und was sonst noch von der Kasse bezahlt wird. Und das ist bei einer Privatkasse viel.
    Aber diesmal will ich nicht »undefinierbar« bleiben.
    Ich verwickelte Dr. med. H.H. Schröder in ein Gespräch über die mögliche Ursache für meinen neuen Schmerz. Er nickte interessiert und erzählte mir daraufhin von seinem neuen Speedboat. Nein, quatsch, natürlich hörte er mir aufmerksam zu.
    »Vielleicht kommt das vom zu langen Sitzen. Ich hab in den letzten Wochen fast jeden Tag auf einem weichen Sessel in einer Ami-Kaffeebude gesessen und mich ohne Unterbrechung über mein Notebook gebeugt.«
    Eigentlich ist es ja eher peinlich, sich nur durch pures Sitzen zu verletzen. Ich meine im Vergleich zu Bungeejumping oder Fallschirmspringen, aber ich wollte bei der Wahrheit bleiben. Und die hieß nun einmal: Durch Sitzen verletzt.
    Er fand das mit dem Sitzen nicht außergewöhnlich, vielmehr hörte er mir gar nicht zu und antwortete mit einem typischen Orthopäden-Satz: »Herr Dolly, Sie müssen ein wenig kürzertreten.«
    »Kürzertreten«?
Wie konnte ich »
kürzertreten«?
Ich hatte doch nur gesessen! Was kam als Nächstes: »Passen Sie höllisch auf beim Rumliegen!«?
    Nein, so einfach, so ohne Fachbegriffe, kam er mir nicht davon. Schließlich bin ich Profi-Patient und habe alle Folgen von »Dr. House« gesehen. Dazu noch »Scrubs«,
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