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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Autoren: John Doyle
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und pustet ihn auf. Zack, steht der Elefant wieder. Dann kommt der Filmbeitrag: »Das ist John. John ist Amerikaner. John ist dick. Viele Amerikaner sind dick. Und deshalb ist John auch so dick.« Ich werde kurz wach und denke: What the fuck …?, dann träume ich weiter: »John hat Bandscheibenprobleme. Seine Rückenwirbel sind ganz steif, seine Bandscheiben sind ganz trocken, und das alles nur, weil er so dick ist.«
    Jetzt ist es aber mal gut mit dem dauernden »John ist zu dick«, denke ich, aber schon träume ich die Sendung weiter
:
»Das hier ist eine gesunde Bandscheibe, und das ist Johns Bandscheibe. Seine sieht so aus, weil er immer faul wie eine fette Sau in der Gegend rumliegt und sich mit Chips vollstopft.«
    Mir fallen alle frittierten Kartoffelscheiben aus dem Mund. Für einen Augenblick will ich die Tüte beiseitelegen, aber dann geht der Traum von einer Sendung weiter. Nun hat meine Frau ihren großen Auftritt:
    »Das ist Johns Frau Marita. Sie ist nicht so dick wie John. Sie ist Deutsche. Eigentlich sogar Ostdeutsche, die hatten nicht so viel zu essen. Deshalb hat Marita auch keine Probleme mit ihrer Bandscheibe. Sie bewegt sich viel, achtet auf ihr Gewicht und macht sich keinen Stress. Das heißt: Sie versucht, möglichst wenig Kontakt zu John zu haben.
    Und das ist Johns und Maritas Sohn Quentin. Quentin hat auch keine Probleme mit der Bandscheibe. Warum? Weil er regelmäßig Sport macht und nicht dick ist – im Gegensatz zu seinem fetten Papa.«
    Dann wache ich auf, schweißgebadet. Den Tag verbringe ich bei meinen Lieblingsärzten und höre mir die Erwachsenen-Version von »John ist zu dick«, »John bewegt sich zu wenig« und »John ernährt sich falsch« an. Am Nachmittag folgt die Familienversion: Meine Frau Marita und mein Sohn Quentin – die Vorbildbandscheiben – reden auf mich ein:
    »Warst du im Fitnessstudio?«, fragt meine Frau. Bevor ich antworten kann, mischt sich der Pubertierende ein.
    »Mama, das fragst du den Dicken doch jeden Tag, und jeden Tag kriegst du dieselbe Antwort.«
    Der Dicke hat dann die Schnauze voll und setzt sich mit seiner Chipstüte aufs Sofa. Er schaltet mittels Infrarot-Fernbedienung die Glotze an, und da erscheint ER auf dem Full- HD -Screen: Dr. med. Eckart von Hirschhausen, schlank und rank und mit schickem Halstüchlein. Das mit dem »schlank und rank« bezieht sich auf den Anfang seiner TV -Karriere. Inzwischen – und das weiß ich zu schätzen – trainiert er sich mein Gewichtslevel an. Egal, auf jeden Fall legt er sofort los.
    »So, nun kommen wir zum Thema Rücken, genauer: zur Bandscheibe. Schaut mal auf den Monitor da. Was seht ihr da? Genau, das ist der fette John …«

Wie man durch Sitzen zu Rückenschmerzen kommt
    Ein neuer Schmerz ist da. Irgendwo hinten ist er. Dauerhaft, mit kleinen Stichen zwischendurch. Inzwischen kenne ich meine Schmerzen. Jeden einzelnen. Manche sind örtlich begrenzt. Ein eingeklemmter Nerv hier, ein verrutschtes Bandscheibchen da. Mal schmerzt die Hüfte rechts, mal links, dann macht sich wieder der Nacken bemerkbar.
    Meine Schmerzen sind alles Individuen mit eigenem Charakter. Manche pieksen und stechen spontan, andere wiederum verteilen sich großflächig, sind nicht so stark wie die Piekser und Stecher, dafür aber konstanter in ihrem Wirken.
    Ich hab meinen Schmerzen sogar Namen gegeben. Zum Beispiel heißt mein Nackenschmerz, also der spontan stechende, nicht der permanente,
Brenda Lee,
wie meine ehemalige Geographie-Lehrerin Brenda Lee Jones. Sie hatte die Eigenart, träumende Schüler mit einem kurzen, aber heftigen Griff in den Nacken in die Realität des Schulalltags zurückzuholen. Diesen Karategriff verstärkte sie mit einem markerschütternden Schrei: » WAKE UP , DOYLE !«
    Wie jede vernünftige Lehrerin war Brenda Lee Jones eine Sadistin. Ihr machte es sichtlich Freude, den etwas ungelenken rothaarigen Burschen zu kneifen, und ich gab ihr auch immer wieder Anlass, den Nackenkneifer anzuwenden. Ich bin mir sicher, dass ich ihr Lieblingsschüler war, so viel Freude hatte sie mit mir beziehungsweise meinem Nacken. Nachdem sie mich allerdings einige hundert Male auf diese Weise traktiert hatte, bat ich sie, mich beim nächsten Mal doch bitte woanders zu kneifen. Das Angebot nahm Brenda Lee gerne an, und zum »Nackenkneifer« kamen dann noch der »Unterarm-Hautzwirbler«, der »Zweifach-Rippenstoß« und schließlich als Krönung die von »unten nach oben durchgezogene Kopfnuss«. Aber ganz ehrlich: An den
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