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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf
Autoren: Milena Agus
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einem doppelten Lohn wissen und drückte ihm das zweite Geldbündel nach langem Hin und Her wieder in die Hand. Aber am nächsten Tag fand sie an der Klinke ihrer Verandatür eine Plastiktüte mit dem zurückgewiesenen Geld darin.
    »Und wenn es jemand geklaut hätte?«
    »Nein, hier klaut niemand etwas. Hier wohnen nur ehrliche Leute«, erwiderte Mr. Johnson im Brustton der Überzeugung.
    Mit geheimnisvollem Lächeln und ohne mir in die Augen zu schauen, erzählte mir Anna dann, der Signore von oben habe bemerkt, dass sie, wenn er auf Reisen ist, in seiner Wohnung schlafe. Und da habe er ihr vorgeschlagen, sie solle ruhig damit weitermachen, jetzt, da er wieder zurück sei.
    Ferner erzählte sie mir, dass Mr. Johnson immer, obwohl es jetzt nicht mehr besonders kalt ist, die dicke Jacke trägt, die er auf einer Kreuzfahrt in die Antarktis gekauft hatte. Anna zufolge braucht er die Jacke, weil sie so viele Taschen hat und er ansonsten nicht weiß, wohin mit seinen Schlüsseln, dem Geld und all dem anderen, was er sonst noch bei sich hat.
    Und seine Anzüge scheinen wie ein Magnet das Unheil anzuziehen, weil immer alles Mögliche daran haften bleibt, so wie die Sohlen seiner Schuhe offenbar magnetisch Hundekot anlocken. Ständig ist man versucht zu sagen: »Schauen Sie, wo Sie hintreten! Und lehnen Sie sich nirgends an, weil sonst wieder etwas an Ihren Sachen hängen bleibt. Und binden Sie um Himmels willen Ihre Schnürsenkel!« Oder: »Sehen Sie mal Ihre Hose an! Haben Sie nicht bemerkt, dass der Saum zu lang ist, sodass Sie mit den Absätzen darauftreten und er schmutzig wird?«
    Eines Morgens erschien er in Annas Zimmer und fragte sie, was sie zum Frühstück wolle. »Tee, bitte«, antwortete sie. Woraufhin er ihr eine Tasse brachte, in der der Filter und Papierstückchen schwammen, auf denen die Teesorte zu lesen war. Außerdem trug Mr. Johnson Pantoffeln, die eigentlich gar keine waren: Anna fiel auf, dass er beim Gehen eine Spur aus Kartonschnipseln oder etwas Ähnlichem hinterließ, die sie anschließend zusammenkehrte. Daraufhin sah sie sich die Pantoffeln genauer an und bemerkte, dass es gar keine richtigen Pantoffeln waren, das heißt, sie waren nicht vollständig, sondern bestanden nur noch aus dem oberen Teil, die Sohle hatte sich bereits aufgelöst.
    Mr. Johnson macht auch noch andere komische Sachen. Zum Beispiel stopft er sich, sobald er sich an den Tisch gesetzt hat, einen Zipfel des Tischtuchs in den Kragen, doch bevor er einen Bissen in den Mund schiebt, entfernt er ihn wieder. Anna erzählt diese Begebenheiten, als handelte essich um Heldentaten, denn er ist ein Musikgenie, und Musikgenies machen keine normalen Dinge wie Normalsterbliche. Kurz und gut, sie wähnt sich in einer Art Märchen, und Natascha ist schier am Verzweifeln, weil sie weiß, dass ihre Mutter nicht einfach dem Schicksal seinen Lauf lassen kann, sondern versuchen wird, ihm mit ihrem ganz persönlichen Zauberstab auf die Sprünge zu helfen. Und dabei garantiert wieder in Teufels Küche kommt.
    Und wie schön Mr. Johnson laut Anna ist! Schlank und drahtig, und seine Haut spannt sich noch immer straff über die Muskeln, sodass er von Weitem gut zwanzig Jahre jünger aussieht. Und trotz seiner nicht gebundenen Schnürsenkel und der abgewetzten Jacken ist er alles andere als gewöhnlich. Anna hingegen hält sich für gewöhnlich, vor allem wegen ihrer geschwollenen Beine, was von ihrem kranken Herzen kommt. Die Treppe hinab ist ihr Schritt leicht und beschwingt, aber sobald sie die Treppe in den ersten Stock hinaufgegangen ist, sinkt sie oben angekommen erschöpft in einen Sessel, die Einkaufstüten im Halbkreis um sich herum verstreut.
    Schönheit und Alter hin oder her, jedenfalls muss sie einen Haufen Geld für Intimwäsche ausgegeben haben. Als Anna mich eines Tages anrief und bat, etwas aus einer Schublade in ihrer Wohnung zu holen, entdeckte ich die Sachen. Sie war gerade bei Mr. Johnson beim Bügeln und fühlte sich nach einem langen Arbeitstag zu erschöpft, um die Treppe hinab- und wieder hinaufzusteigen. Weil ich zuerstdie falsche Schublade aufzog, fand ich die Sachen: ein Netzhemd mit überdimensionalen Löchern, die bestimmt sieben, acht Zentimeter groß waren, je ein rosa und schwarzes Erotikset, einen Carioca-BH, der beinahe die ganzen Brüste frei lässt, Slips mit einem Schlitz in der Mitte, um die Penetration zu erleichtern, Nippelketten mit strassbesetzten Metallherzen und Würfeln, einen Perlenstring, einen Body,
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