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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Karolina Halbach
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Schwarzbart sich über ihre Figur lustig machen, aber ihren Gesang ließ sie von niemandem in Abrede stellen. Sie dachte gerade noch darüber nach, ob es unzüchtig wäre, das Wort an den Ritter zu richten, als ein Bediensteter am Hauseingang erschien und meldete, dass die Kutschen zur Kirche bereitstünden. Der Truchsess nickte unwillig und verabschiedete sich. Arigunds Vater griff nach den Mänteln und warf seiner Tochter einen liebevollen Blick zu. Sie würde heute in einer anderen Kutsche sitzen.

*
    Als Arigund die Karosse bestieg, bemerkte sie verwundert, dass sich bereits eine Person darin befand. Das helle Haar und die füllige Figur zeichneten sie als eine Thundorferin aus. Und tatsächlich: »Hildegard, deine neue Stiefschwester«, stellte die Fremde sich vor. »Du musst Arigund sein.«
    Überrascht musterte Arigund ihre Gesellschaft. Sie hatte nicht erwartet, so schnell ihrer neuen Verwandtschaft gegenüberzustehen. Sie zögerte einen Moment zu lange, bevor sie Hildegard die Hand reichte.
    »Sei willkommen – und richtig, ich bin Arigund, Tochter der Anna Barbara Zandt.«
    Arigund setzte sich Hildegard gegenüber in die Kutsche und beäugte ihre zukünftige Stiefschwester neugierig. Katharina Thundorf, die zukünftige Gemahlin ihres Vaters, brachte drei Kinder in die Ehe, ein Mädchen und zwei Söhne. Arigund hatte das wohl gewusst, aber es war eine Sache, davon zu erfahren, dass man eine zwei Jahre ältere Schwester bekommen würde, eine andere war es, ihr gegenüberzusitzen. Was um Himmels willen sollte sie mit ihr reden?
    »Gar nichts!«, würde ihr Großvater Zandt wahrscheinlich brummen. »Mit Thundorfern spricht man nicht!« Aber der war jetzt nicht hier. Arigund knetete verlegen ihre Finger. Glücklicherweise nahm Hildegard mit einem unverfänglichen Thema die Unterhaltung auf.
    »Ganz schön warm für April.« Sie wedelte sich frische Luft zu.
    »Ja«, bestätigte Arigund lahm.
    Hildegard zupfte an ihren Handschuhen aus feinem weißen Kalbsleder herum.
    »Wir sind uns noch nicht begegnet«, versuchte es Hildegard noch einmal. »Ich war in den letzten Jahren in Italien.«
    »Ähm, ja«, meinte Arigund lediglich, »habe ich gehört. Ich war noch nie aus Regensburg heraus.«
    »In unserem Haus ist es üblich, dass die Kinder ihr Elternhaus früh verlassen. Venedig ist zudem sehr angenehm. Ich spreche jetzt fließend Italienisch. Das ist sehr wichtig, wenn man einmal einem Handelshaus vorstehen soll.«
    »An dieser Sprache wird es auch bei mir nicht scheitern.«
    »Sicher, am Italienisch nicht.«
    Hildegard warf einen vielsagenden Blick auf Arigunds winzige Brüste. Im Vergleich zu Hildegards waren sie eigentlich gar nicht vorhanden.
    Was für ein gemeines Biest!, dachte sich Arigund und begann bereits Pläne zu schmieden, wie sie den anstrengenden Familienzuwachs wieder loswerden könnte. Da erinnerte sie sich an die letzte Bemerkung ihrer zukünftigen Stiefschwester. »Du hast die Strapazen einer langen Reise auf dich genommen, um an dieser Hochzeit teilzunehmen. Hattest du wenigstens eine angenehme Begleitung?«
    »Mein Verlobter Eduardo Caprilli war an meiner Seite. Er hätte mich sowieso niemals ohne Schutz reisen lassen.«
    Ein Sonnenstrahl am Wolkenhimmel! Vielleicht verschwand das Luder ja von selbst wieder.
    »Wie nobel von ihm!«
    Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über Hildegards Gesicht. »Gewiss, es ist nur schade, dass er so bald wieder zurückmuss. Ich werde mich vor Sehnsucht nach ihm verzehren.«
    »Wieso? Fährst du nicht mit?« In Arigunds Stimme schwang fast so etwas wie Verzweiflung.
    »Meine Mutter wünscht, dass ich an ihrer Seite bleibe. Ich werde ihr natürlich gehorchen.«
    »Dann wirst du den Herrn Caprilli nicht wiedersehen?«
    »Gewiss doch!« Hildegard betrachtete Arigund, als hätte sie ein dümmliches Hausmädchen vor sich. »Sobald unsere eigene Hochzeit arrangiert ist.«
    »Und was tust du bis dahin?«
    »Meine Mutter im Kontor unterstützen.«
    »Aha, dann wohnst du also im Hause deiner Großeltern?«
    »Ich bitte dich, was würde es für einen Eindruck machen, würde ich jeden Tag zwischen den Häusern hin und her laufen wie ein Dienstbote! Und was würde mein zukünftiger Gatte dazu sagen? Es wird ja wohl im Hause DeCapella ein angemessenes Zimmer für mich geben.«
    Arigund schwankte zwischen Wut und Verzweiflung. Diese Hildegard würde ihr in Zukunft das Leben zur Hölle machen. Warte nur ab, dachte sie, so leicht gebe ich mich nicht
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