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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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bekommen, was ihm zustand.« Marie ärgerte sich, weil Michel nur das Gerede betrunkener Gäste wiedergab. Offensichtlich war er so eifersüchtig auf ihren Verlobten, dass er nur deshalb zu ihr kam, um ihn zu verleumden. Enttäuscht drehte sie ihm den Rücken zu und widmete sich dem arg vernachlässigten Teig.
    Michel wäre am liebsten davongestürmt, doch er ging nur bis zur Küchentür, drehte sich nach einem kurzen Zögern um und trat wieder an den Tisch. Marie aber machte eine abwehrende Bewegung und beugte ihren Kopf noch tiefer über die Schüssel. Wütend ballte er die Fäuste und suchte nach den richtigen Worten. Wie konnte er diesem weltfremden Geschöpf begreiflich machen, dass es in sein Unglück rannte, wenn es das Werben des berüchtigten Rechtsverdrehers annahm? Der Mann hatte schon viele Menschen ins Elend gestürzt und die Macht und den Besitz seines grausamen Vaters beinahe verdoppelt.
    Michel nahm an, dass Marie sich von seinen Titeln und der Tatsache,dass der Magister noch andere einflussreiche Gönner besaß, hatte blenden lassen. Nun lief sie wie ein Schaf zur Schlachtbank. Er setzte mehrfach zum Sprechen an, doch der verbissene Ausdruck auf ihrem Gesicht zeigte ihm, dass er keine Chance hatte, sie zu überzeugen. Schließlich schalt er sich einen Narren, hierher gekommen zu sein. Das Bierfass hätte auch einer seiner Brüder herüberschleppen können.
    »Ich gehe jetzt wieder«, sagte er in der Hoffnung, sie würde ihn auffordern, weiterzusprechen.
    Marie schüttelte unwillig die Zöpfe und begann mit energischen Bewegungen die Klumpen zu zerdrücken, die sich im Teig gebildet hatten.
    Im selben Augenblick kehrte Wina zurück und sah Michel mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Ich habe das Bier gebracht«, entschuldigte er seine Anwesenheit.
    »So, und wo ist es?«
    »Elsa und Anne haben es in den Vorratskeller getragen«, antwortete Marie an seiner Stelle.
    »Im Vorratskeller sind die beiden? Da muss ich sofort nachsehen, ob sich die diebischen Elstern nicht an den geräucherten Würsten vergreifen.« Wina stieg schwer atmend die Treppe hinab und öffnete die Falltür.
    Marie fand es ungerecht, die beiden Mägde als Diebinnen zu bezeichnen, nur weil sie sich ab und zu ein Stück Wurst oder Fleisch in den Mund stopften, das vom Essen übrig geblieben war. Doch für die Wirtschafterin war das eine Todsünde, von der nicht einmal der Papst sie freisprechen konnte.
    Marie lächelte in sich hinein. Für Wina war der Papst so eine Art Heiligenfigur, die man anbeten konnte, aber sie meinte mit ihren Aussprüchen keinen bestimmten. Das wäre ihr ja auch schwer gefallen, denn es gab derzeit drei Kirchenfürsten, die alle den Anspruch erhoben, das Haupt der Christenheit zu sein. Mariekannte sich mit diesen Dingen nicht aus, aber ihr Vater und seine Freunde redeten häufig über die heilige Kirche und äußerten, wenn sie beim Wein zusammensaßen, meist lautstark die Hoffnung, der Kaiser würde mit einem Donnerwetter dreinschlagen und den Pfaffen wieder Gehorsam beibringen.
    Ein Räuspern holte Marie in die Gegenwart zurück. Michel stand immer noch da und starrte sie flehend an, aber sie wollte nichts mehr von ihm hören. Am nächsten Tag würde sie die Frau des Magisters werden und ein neues Leben beginnen, in dem es keinen Platz für einen anmaßenden Wirtssohn gab. Mit solchen Leuten würden nur noch ihre Bediensteten zu tun haben, denn sie selbst musste sich um das Haus kümmern und ihr Leben ihrem Gatten widmen, dem sie, wie sie sich fest vornahm, eine tüchtige, liebende Ehefrau werden wollte. Als sie diesen Vorsatz fasste, fiel ihr auf, dass sie nicht wusste, wo sie nach der Hochzeit wohnen würde. Magister Ruppertus besaß kein Haus in Konstanz, sondern lebte, wie ihr Vater erwähnt hatte, auf der Keilburg, dem Hauptwohnsitz seines gräflichen Vaters. Ob er sie wohl dorthin bringen würde?
    Wina tauchte aus dem Keller auf und schob die säuerlich dreinblickenden Mägde vor sich her. Ihrem triumphierenden Blick war zu entnehmen, dass sie die beiden bei den Würsten erwischt und erfolgreich daran gehindert hatte, sich an ihnen zu vergreifen.
    »Du bist ja immer noch da«, fuhr sie Michel an. Sie machte eine Geste, als wolle sie ihm die Tür weisen, griff aber dann in den Lederbeutel, den sie an einer Schnur um ihre mollige Taille gebunden hatte, und zog eine Münze heraus.
    »Ach, du hast sicher auf dein Trinkgeld gewartet. Hier, nimm!«
    Besser hätte Wina den Unterschied zwischen einem Herrn wie
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