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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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ihm freiwillig diesen hübschen, lakonischen Namen ab«.
    »Wobei du denn doch nicht gar zu großmütig warst«, sagte der Hauptmann.
    »Denn ich erinnere mich recht wohl, daß dir der Name Eduard besser gefiel, wie er denn auch, von angenehmen Lippen ausgesprochen, einen besonders guten Klang hat«.
    Nun saßen sie also zu dreien um dasselbe Tischchen, wo Charlotte so eifrig gegen die Ankunft des Gastes gesprochen hatte.
    Eduard in seiner Zufriedenheit wollte die Gattin nicht an jene Stunden erinnern, doch enthielt er sich nicht zu sagen: »für ein Viertes wäre auch noch recht gut Platz«.
    Waldhörner ließen sich in diesem Augenblick vom Schloß herüber vernehmen, bejahten gleichsam und bekräftigten die guten Gesinnungen und Wünsche der beisammen verweilenden Freunde.
    Stillschweigend hörten sie zu, indem jedes in sich selbst zurückkehrte und sein eigenes Glück in so schöner Verbindung doppelt empfand.
    Eduard unterbrach die Pause zuerst, indem er aufstand und vor die Mooshütte hinaustrat.
    »Laß uns«, sagte er zu Charlotten, »den Freund gleich völlig auf die Höhe führen, damit er nicht glaube, dieses beschränkte Tal nur sei unser Erbgut und Aufenthalt; der Blick wird oben freier und die Brust erweitert sich«.
    »So müssen wir diesmal noch«, versetzte Charlotte, »den alten, etwas beschwerlichen Fußpfad erklimmen; doch, hoffe ich, sollen meine Stufen und Steige nächstens bequemer bis ganz hinauf leiten«.
    Und so gelangte man denn über Felsen, durch Busch und Gesträuch zur letzten Höhe, die zwar keine Fläche, doch fortlaufende, fruchtbare Rücken bildete.
    Dorf und Schloß hinterwärts waren nicht mehr zu sehen.
    In der Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche, drüben bewachsene Hügel, an denen sie sich hinzogen, endlich steile Felsen, welche senkrecht den letzten Wasserspiegel entschieden begrenzten und ihre bedeutenden Formen auf der Oberfläche desselben abbildeten.
    Dort in der Schlucht, wo ein starker Bach den Teichen zufiel, lag eine Mühle halb versteckt, die mit ihren Umgebungen als ein freundliches Ruheplätzchen erschien.
    Mannigfaltig wechselten im ganzen Halbkreise, den man übersah, Tiefen und Höhen, Büsche und Wälder, deren erstes Grün für die Folge den füllereichsten Anblick versprach.
    Auch einzelne Baumgruppen hielten an mancher Stelle das Auge fest.
    Besonders zeichnete zu den Füßen der schauenden Freunde sich eine Masse Pappeln und Platanen zunächst an dem Rande des mittleren Teiches vorteilhaft aus.
    Sie stand in ihrem besten Wachstum, frisch, gesund, empor und in die Breite strebend.
    Eduard lenkte besonders auf diese die Aufmerksamkeit seines Freundes.
    »Diese habe ich«, rief er aus, »in meiner Jugend selbst gepflanzt.
    Es waren junge Stämmchen, die ich rettete, als mein Vater, bei der Anlage zu einem neuen Teil des großen Schloßgartens, sie mitten im Sommer ausroden ließ.
    Ohne Zweifel werden sie auch dieses Jahr sich durch neue Triebe wieder dankbar hervortun«.
    Man kehrte zufrieden und heiter zurück.
    Dem Gaste ward auf dem rechten Flügel des Schlosses ein freundliches, geräumiges Quartier angewiesen, wo er sehr bald Bücher, Papiere und Instrumente aufgestellt und geordnet hatte, um in seiner gewohnten Tätigkeit fortzufahren.
    Aber Eduard ließ ihm in den ersten Tagen keine Ruhe; er führte ihn überall herum, bald zu Pferde, bald zu Fuße, und machte ihn mit der Gegend, mit dem Gute bekannt; wobei er ihm zugleich die Wünsche mitteilte, die er zu besserer Kenntnis und vorteilhafterer Benutzung desselben seit langer Zeit bei sich hegte.
    »Das erste, was wir tun sollten«, sagte der Hauptmann, »wäre, daß ich die Gegend mit der Magnetnadel aufnähme.
    Es ist das ein leichtes, heiteres Geschäft, und wenn es auch nicht die größte Genauigkeit gewährt, so bleibt es doch immer nützlich und für den Anfang erfreulich; auch kann man es ohne große Beihülfe leisten und weiß gewiß, daß man fertig wird.
    Denkst du einmal an eine genauere Ausmessung, so läßt sich dazu wohl auch noch Rat finden«.
    Der Hauptmann war in dieser Art des Aufnehmens sehr geübt.
    Er hatte die nötige Gerätschaft mitgebracht und fing sogleich an.
    Er unterrichtete Eduarden, einige Jäger und Bauern, die ihm bei dem Geschäft behülflich sein sollten.
    Die Tage waren günstig; die Abende und die frühsten Morgen brachte er mit Aufzeichnen und Schraffieren zu.
    Schnell war auch alles laviert und illuminiert, und Eduard sah seine Besitzungen auf das deutlichste
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